Die Leiden der Lavendelbauern
Er gilt als der Inbegriff der Provence, als blaues Gold. Doch Dürre und Hitze setzen auch dem Lavendelanbau in Frankreich zu. Statt blau-violett waren die Lavendelfelder rund um das nordöstlich von Avignon gelegene Dorf Sault grau, als dort Mitte des Monats das traditionelle Lavendelfest stattfand. Wegen der Dürre hatten die dort ansässigen Lavendelbauern die Ernte auf Ende Juli vorziehen müssen. Damit nicht genug, denn die Ernte fiel wegen der anhaltenden Trockenheit auch sehr viel kleiner aus als sonst. Normalerweise könne er auf seinen Feldern acht bis zehn Kisten Lavendel ernten, berichtet Lavendelbauer Cédric Mourard. In diesem Jahr jedoch habe seine Ernte in eine einzige Kiste gepasst.
„Angesichts der außergewöhnlich starken Dürre, wegen der in einigen Gegenden die Hälfte der Lavendelernte verloren geht, muss eine Naturkatastrophe ausgerufen werden“, fordert der Bürgermeister von Grasse, Jérôme Viaud, von den konservativen Republikanern. Seine Gemeinde gilt als die Hauptstadt der Parfümindustrie. Der Anbau von Duft- und Arzneipflanzen wie Rosen oder eben Lavendel ist ihr Kapital. Viaud will nach der parlamentarischen Sommerpause auch versuchen, die Unterstützung der Europäischen Union (EU) für den europäischen Duft- und Arzneipflanzen-Anbau zu bekommen. Dafür will er auch andere Länder mit einer entsprechenden Tradition für Heil- und Duftpflanzen wie Deutschland, Bulgarien, Italien und Spanien mobilisieren.
Das französische Parlament hat bereits Hilfen für die Lavendelbauern in Höhe von 10 Mill. Euro beschlossen – im Rahmen des Maßnahmenpakets zur Stärkung der Kaufkraft, das sie Anfang August auf den Weg gebracht hat. Grund für die Hilfen ist jedoch weniger die Dürre als vielmehr die Krise, die der französische Lavendelanbau bereits seit längerem durchlebt. Paradoxerweise leidet er nämlich an Überproduktion, nachdem ihn vor rund zehn Jahren eine Krankheit bedrohte, die durch eine von Zikaden übertragene Bakterie namens Stolbur-Phytoplasma ausgelöst wird.
Dennoch wurde in den letzten Jahren immer mehr Lavendel und die günstigere, vor allem zum Parfümieren von Massenprodukten wie Seifen und Waschmitteln eingesetzte Hybridform Lavandin in Frankreich angebaut. So hat sich die Anbaufläche dafür allein in der südfranzösischen Region Provence-Alpes-Côte d’Azur 2020 nach Angaben des Statistikamtes Insee im Vergleich zum Vorjahr um 8% erhöht. Gleichzeitig haben auch andere, weit nördlicher gelegene Gegenden begonnen, das „blaue Gold“ anzubauen, beispielsweise die südlich von Paris gelegene Ebene Beauce. Die Anbauflächen für Lavendel und Lavandin haben sich deshalb innerhalb der letzten zehn Jahre allein in Frankreich nahezu verdoppelt. Auch in anderen Ländern wie Bulgarien und Spanien wird immer mehr Lavendel angebaut.
Deshalb sind die Preise in den letzten Jahren stark eingebrochen. Konnten Lavendelbauern 2019 für Lavandin noch einen Vorsteuerpreis von 34 Euro je Kilo erzielen, so sind es jetzt gerade mal noch 12 bis 15 Euro. Dabei betrage der Selbstkostenpreis um die 20 Euro, sagt Alain Aubanel, der dem Branchenverband für ätherische Öle Comité Interprofessionnel des Huiles Essentielles Françaises vorsteht. Um von dem Lavendelanbau leben zu können, sei jedoch eine Marge von mindestens 3 Euro je Kilo notwendig. „Wir können nicht länger mit Verlust verkaufen“, sagt Aubanel. Zumal die Lavendelbauern auch die Folgen des Ukraine-Krieges zu spüren bekommen. Die Energiekosten sind für sie um 15 bis 20% gestiegen, die Transportkosten um 10%, während Verpackung und Destillieren 30% teurer geworden sind.
Was genau die vom Parlament verabschiedeten Hilfen in Höhe von 10 Mill. Euro beinhalten sollen, ist nicht festgelegt. Doch sie könnten als Prämie für Landwirte genutzt werden, die beschließen, Lavendel-Anbauflächen zu roden und sie anders zu nutzen. Dafür könnten ihnen pro Hektar 2000 Euro gezahlt werden, heißt es in Frankreich. Einige Lavendelbauern wünschen jedoch auch Hilfen, wenn sie weiterhin die emblematische Pflanze mit den blau-violetten Blüten anbauen. Die Details der Hilfen müssen deshalb noch von Branchenvertretern mit der Regierung ausgehandelt werden.