Eurogruppe

Die letzte Chance für die Bankenunion

Wenn sich die EU-Staaten bis Ende Juni nicht auf den Fahrplan für eine Bankenunion einigen, wird das Projekt nach vielen Jahren an Diskussionen wohl beerdigt.

Die letzte Chance für die Bankenunion

Dass die Finanzminister der EU sich am Dienstag in ihrer von Eurogruppen-Chef Paschal Donohoe einbe­rufenen Videokonferenz nicht da­rauf einigen konnten, wie es mit der Bankenunion weitergehen soll, war wenig überraschend. Denn bei einem solch sensiblen Thema voller nationaler Befindlichkeiten und Interessen lassen sich Kompromisse nur schwer in einer Online-Runde finden – selbst wenn es in diesem Fall „nur“ um einen Arbeitsplan ohne konkrete inhaltliche Ausgestaltung ging.

Das Ergebnis der Debatte dürfte allerdings auch für Donohoe ernüchternd gewesen sein, der seit Amtsantritt im Sommer 2020 viel Engagement und Herzblut eingebracht hat, um die festgefahrenen Verhandlungen um die Bankenunion neu zu beleben. Dabei geht es ja schon längst nicht mehr nur um die Einführung einer europäischen Einlagensicherung, sondern auch um einen überarbeiteten Krisenmechanismus für Banken (einschließlich der Abwicklungsregeln), einen wirklichen Finanzbinnenmarkt in Europa (Stichwort: Home-Host-Problematik) sowie um den Umgang mit Staatsanleihen in den Bankbilanzen. Donohoe hatte versucht, alle vier Bereiche in einer gemeinsamen Roadmap zu verknüpfen. Doch sein ausbalanciertes Kompromissangebot hat viele Finanzminister noch nicht überzeugt. Auf dem Euro-Gipfel im Dezember 2020 haben die Staats- und Regierungschefs den Eurogruppen-Präsidenten mit der Ausarbeitung eines Arbeitsplans zur Vollendung der Bankenunion beauftragt. Im vergangenen Juni konnte Donohoe nicht liefern. Im Dezember auch nicht. Und es sieht nun so aus, als würde der Ire auch beim Euro-Gipfel im Juni mit leeren Händen dastehen.

Dabei hat er eigentlich vieles richtig gemacht: Seine Vorlage sieht eine Zwei-Phasen-Lösung mit ausreichend Übergangszeit und einem neuen Sicherheitsanker vor, mit dem er eigentlich auch alle noch zögernden Länder mit ins Boot holen wollte: Der Übergang zur entscheidenden zweiten Phase, bei der dann auch die europäische Einlagensicherung in Form eines Rückversicherungsmodells eingeführt werden soll, würde nämlich erst in Kraft treten können, wenn alle Euro-Länder und auch alle anderen EU-Staaten dem nach einer erneuten Überprüfung zustimmen. Auch die Paketlösung bot sich an, weil so Kompromisse leichter möglich sind. Denn Einzelthemen wie etwa die Eigenkapitalunterlegung von Staatsanleihen werden schon seit vielen Jahren immer wieder kontrovers diskutiert – ob auf EU-Ebene oder im Baseler Ausschuss –, ohne dass es Verständigungen gegeben hätte. In Kombination mit anderen Strängen der Bankenunion könnte dies vielleicht anders aussehen.

Eine kleine Resthoffnung bleibt Donohoe, doch noch bis zum nächsten Euro-Gipfel eine Lösung zu finden: Es gibt bis dahin noch zwei Eurogruppen-Sitzungen in Präsenz. Sie sind vorerst wohl die letzte Chance, die Bankenunion in den nächsten Jahren doch noch wirklich voranzubringen. Denn ohne eine politische Einigung dürfte es kaum noch gelingen, die notwendigen Gesetzgebungsprozesse bis zur nächsten Europawahl anzustoßen und abzuschließen. Und dann müsste man wohl einsehen, dass die EU-Mitgliedstaaten offenbar nicht in der Lage sind, sich auf eine Bankenunion und einen integrierten Finanzbinnenmarkt zu einigen – weil einfach die nationalen Interessen zu unterschiedlich sind. Bei der Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), der auch den für die Bankenunion wichtigen Backstop für den Bankenabwicklungsfonds SRF beinhaltet, wurden diese Interessen vor eineinhalb Jahren noch einmal kurz überwunden. Ratifiziert ist diese Reform – in Deutschland und Italien – aber immer noch nicht.

Auch die Bundesregierung spielt bei der Bankenunion nicht die konstruktivste Rolle, zu­letzt mit der Forderung, die Institutssicherungssysteme von Sparkassen und Genossen nicht in größere Lösungen einzubeziehen (und damit mehr als die Hälfte des deutschen Marktes aus einer Einlagensicherung herauszunehmen). Dabei lägen die Vorteile einer vollendeten Bankenunion so klar auf der Hand: Die europäische Finanzstabilität würde gestärkt, der Bankensektor besser auf künftige Krisen vorbereitet, die Fragmentierung der Märkte gemildert, der Sparerschutz insgesamt verbessert, und auch die internationale Rolle des Euro würde profitieren. Donohoe sprach nach der Videokonferenz davon, dass die Laune der Finanzminister bei der Debatte von den Meinungsverschiedenheiten nicht getrübt worden sei. Einen „guten Humor“ habe es gegeben. Gemeint war wohl eher Galgenhumor.

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