Großbanken

Die neue Ära der UBS

Der immer noch stark polarisierte Schweizer Diskurs zum Umgang mit den Großbanken könnte dereinst zum größten Problem in der Ära des neuen UBS-Verwaltungsratspräsidenten Colm Kelleher werden.

Die neue Ära der UBS

Im Verwaltungsrat der UBS hat mit Colm Kelleher ein neuer Präsident das Zepter übernommen. Sein Vorgänger Axel We­ber stellte ihn auf der Generalversammlung in der vergangenen Woche sicher nicht zu Unrecht als Mann von „großer Kompetenz in der Finanzbranche“ vor. Der gebürtige Ire blickt auf eine mehr als 30-jährige Karriere bei der US-amerikanischen Großbank Morgan Stanley zurück. Bis zu seinem Rücktritt vor drei Jahren übte der 65-Jährige in dem alteingesessenen Wall-Street-Haus einen ganzen Strauß an wichtigen Führungsaufgaben aus. Zuletzt war er Chef der Investment Bank. Zwar verpasste Kelleher den finalen Sprung an die Konzernspitze: Im Wettbewerb um die Nachfolge von CEO John Mack musste er sich 2009 dem internen Rivalen und Wealth-Management-Chef James Gorman geschlagen geben.

Doch für den UBS-Verwaltungsrat ist es gewiss keine Schmach, wenn sein Präsident bei der nach Marktkapitalisierung viertgrößten US-Bank bloß die zweite Geige spielte. Immerhin sind keine 15 Jahre vergangen, seit das größte Schweizer Finanzinstitut haarscharf am Ab­grund vorbeischrammte.

Allerdings hat die UBS die Zeit seit der Finanzkrise für einen Neuanfang genutzt. Still und leise hat sich das Institut im europäischen Kreditgewerbe wieder an die Spitze hervorgearbeitet. Gemessen an der Marktkapitalisierung liegt die UBS inzwischen wieder knapp vor der französischen BNP Paribas und sogar relativ deutlich vor dem spanischen Banco Santander. Vor ihr steht nur noch die nach wie vor in Großbritannien domizilierte HSBC, die manch ein Beobachter aber dennoch vielleicht eher als eine asiatische Bank bezeichnen würde.

Die Aktionäre der UBS sind nicht ohne Grund voll der Zuversicht. Die Kapitalausstattung ihrer Bank ist so solide wie bei keinem anderen Mitbewerber in Europa, und mit dem Niederländer Ralph Hamers hat sie einen CEO, der die vielleicht größte strategische Herausforderung für alle klassischen Banken – die Digitalisierung der Kundenschnittstellen – zielstrebig in Angriff genommen hat. Doch so hoffnungsvoll, wie die neue Ära Kelleher gerade begonnen hat, so gut sind ihre Aktionäre beraten, nicht in Überschwang zu verfallen. Nicht nur die spezielle Geschichte der UBS legt den Gedanken nahe, dass die nächste Finanzkrise bereits um die Ecke lauern könnte. Es gibt eine Vielzahl guter Gründe, pessimistisch zu sein.

Die Instabilität der geopolitischen Lage ist ein Großrisiko für international aufgestellte Banken wie die UBS. Diese müssen nach dem Verlust des einst aussichtsreichen russischen Marktes nun auch in China um ihre Wachstums­chancen fürchten. Zudem wird die fulminante Rückkehr der Inflation in Verbindung mit der hohen öffentlichen und privaten Ver­schuldung auch in den westlichen Märkten zunehmend zur Be­drohung für die Konjunktur und für das Geschäft der Banken.

Gerade die UBS müsste vor diesem Hintergrund alles Interesse daran haben, ihre Kapitaldecke und ihre Reserven weiter zu stärken. Doch für die bestkapitalisierte Bank Europas ist dies auch nach ihrer Nahtoderfahrung aus der Finanzkrise alles andere als ein Selbstläufer. Wir erinnern uns: Im Zuge der Finanzkrise hatte die Bank Verluste mit US-Hypothekenanleihen von über 50 Mrd. sfr angehäuft, und der mit der Finanzkrise eskalierte Steuerstreit mit den USA hätte ihr beinahe das Genick gebrochen.

Die Aktionäre aber pochen nach einem Jahrzehnt der Diät auf ihrem Anteil am Wiederaufstieg der Bank. Die UBS-Führung verspricht ihnen kaum ganz freiwillig eine progressive Dividendenentwicklung und legt mit Aktienrückkäufen in Milliardenhöhe nach. Kelleher weiß, dass er diesem Druck nicht widerstandslos nachgeben darf. Doch für den Ausgleich der Interessen zwischen den Aktionären, den Gläubigern und nicht zuletzt der Schweizer Volkswirtschaft und ihren Steuerzahlern ist der UBS-Verwaltungsrat nicht allein zuständig.

Nötig ist auch ein gesellschaftlicher Konsens darüber, wie viel Risiko die Schweiz mit ihren Großbanken zu nehmen bereit ist und wo die Behörden regulatorische Grenzen setzen sollen. Ein solcher Konsens ist umso wichtiger für das Land, da die Großbanken in den vergangenen Dekaden trotz etlicher Pleiten und Pannen auch viel zum Wohlstand des Landes beigetragen haben. Leider haben Politik und Behörden diesbezüglich noch keine sichtbar kohärente Strategie entwickelt. Der immer noch stark polarisierte Schweizer Diskurs zum Umgang mit den Großbanken könnte dereinst zum größten Problem in der Ära Kelleher werden.

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