Umweltschutz

Die öffentliche Hand als Vorreiter für Klimaneutralität

Vor allem durch ihre Beschaf­fungen haben Bund, Länder und Kommunen die Möglichkeit, einen signifikanten Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.

Die öffentliche Hand als Vorreiter für Klimaneutralität

Auf dem Weg zur Klimaneutralität kommt  der öffentlichen Hand nicht nur eine Regulierungs-, sondern vor allem auch eine Vorbildfunktion zu. Die neue Bundesregierung ist mit ehrgeizigen Zielen in die neue Legislaturperiode gestartet, will mit gutem Beispiel beim Thema Umwelt und Naturschutz vorangehen. Sie sieht sich dabei in guter Gesellschaft mit der EU-Kommission, die sich im Rahmen des Grünen Deals Ende 2019 verpflichtet hat, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen gegenüber dem Stand von 1990 um mindestens 55 % gesenkt werden. Im vergangenen Jahr wurden deshalb umfassende Maßnahmenpakete ab­geschlossen. Unter anderem strengere Auflagen im Rahmen des bestehenden Emissionshandelssystems der EU, Angleichung der Steuerpolitik an die Ziele des europäischen Grünen Deals sowie weitere Offenlegungspflichten für Marktteilnehmer zur Schaffung von Transparenz über nachhaltige Finanzierungen. Auch die vorherige Bundesregierung hatte mit dem Klimaschutzgesetz 2021 ihre bisher gültigen Emissionsziele deutlich verschärft und damit einen ehrgeizigen deutschen Beitrag zur Begrenzung des Klimawandels angekündigt. Unter anderem verpflichtete sie sich, bereits ab 2045 Treibhausgasneutralität zu erreichen. In diesem Zusammenhang wurden im Rahmen des Klimaschutzgesetzes unter anderem sektorspezifische Ziele, wie die Festlegung von Emissionsbudgets, vorgegeben. So werden für den Industriesektor 118 Megatonnen CO2-Äquivalent (Mt CO2e), für den Verkehrssektor 85 Mt CO2e und für den Gebäudesektor 67 Mt CO2e gemäß der Dena-Leitstudie Aufbruch Klimaneutralität definiert. Darüber hinaus wurden unter anderem im August vorigen Jahres das „Maßnahmenprogramm Nachhaltigkeit – Weiterentwicklung 2021“ sowie im September eine neue Verwaltungsvorschrift zur klimafreundlichen Beschaffung verabschiedet.

Immobilien und Fahrzeuge

Für eine erfolgreiche Umsetzung und Akzeptanz der Klimapolitik ist es für die öffentliche Hand aber wichtig, nicht nur die Regulierungsfunktion zu bedienen, sondern die anzustrebende Klimaneutralität als Teamaufgabe von Wirtschaft, Gesellschaft und öffentlicher Hand zu verstehen und dabei mit gutem Beispiel voranzugehen. In Deutschland ist die öffentliche Hand der größte Immobilieneigentümer. Im Eigentum des Bundes und der Länder sowie der Kommunen steht eine Vielzahl an Grundstücken und Gebäuden mit unterschiedlichsten Nutzungsarten und Gebäudequalitäten. Zudem unterhält die öffentliche Hand eine der größten Fahrzeugflotten in Deutschland. Damit ist sie für zwei Bereiche verantwortlich, die auf dem Weg zu Klimaneutralität eine wichtige Rolle spielen und bei denen sie Vorbildfunktion übernehmen könnte: Stichwort E-Mobilität, Gebäudedämmung, Einsatz von Solartechnik sowie vieles mehr.

Vor allem durch ihre Beschaffungen haben Bund, Länder und Kommunen die Möglichkeit, Energieeffizienz den Weg zu ebnen und damit einen signifikanten Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Die OECD geht von einem jährlichen Beschaffungsvolumen der öffentlichen Hand in Deutschland von etwa 500 Mrd. Euro aus. Das entspricht etwa 15% des deutschen Bruttoinlandsprodukts. Darüber hinaus haben öffentliche Auftraggeber insbesondere in den Bereichen Gesundheit und Verkehrsinfrastruktur bedeutende Marktanteile mit etwa 50 bis 60% des gesamten Beschaffungsvolumens. Die Bundesstelle für Energieeffizienz beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle weist aus, dass die öffentliche Hand im Jahr 2019 11,5% der gesamten Bruttoanlageinvestitionen und 12,7% der Bauinvestitionen in Deutschland getätigt hat.

Grundlage ist gelegt

Die im August 2021 verabschiedete neue Fassung des „Maßnahmenprogramms Nachhaltigkeit“ der Bundesregierung enthält schon viele Elemente, die eine gute Grundlage für eine umfassend nachhaltige Beschaffung bilden können. Ebenso ist die im September verabschiedete neue Verwaltungsvorschrift zur klimafreundlichen Beschaffung durch die Bundesbehörden aufgrund der Tatsache, dass bei der Vergabe öffent­licher Aufträge der Aspekt der Klimaneutralität in den Mittelpunkt gestellt wird, sehr zu begrüßen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten bei der Vergabe öffentlicher Aufträge noch immer keine Selbstverständlichkeit ist.

Vergaberechtlich ist die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten bei der öffentlichen Beschaffung bedacht. Spätestens seit der Öffnung des EU-Vergaberechts mit der EU-Richtlinie 2014/24 für „soziale, umweltbezogene und innovative Aspekte“ sowie den bereits früher in ähnlicher Weise angepassten Vergabegesetzen der deutschen Bundesländer ist eine Beschaffung unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten fester Bestandteil der Rechtsordnung geworden. Jedoch geben einer Studie des Instituts für den öffentlichen Sektor zusammen mit der KPMG AG Wirtschafts­prüfungsgesellschaft zufolge nur 44% der befragten öffentlichen Beschaffer an, Umweltkriterien häufig oder immer bei Vergaben zu berücksichtigen.

Was die Regeln betrifft, ist Deutschland auf einem guten Weg. Die Verantwortlichen im Bund, in den Ländern und bei den Kommunen sollten mit gutem Beispiel vorangehen und auch in der Umsetzung Standards setzen. Ansatzpunkte gibt es genügend, wie die Förderung von Energieeffizienz, Recycling, neue Mobilität, New Work und Regionalität. Aber auch Digitalisierung kann zur Klimaneutralität beitragen, indem Prozesse effektiver und ressourcenschonender werden.

Mathias Oberndörfer ist Mitglied des Vorstands bei der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sowie Geschäftsführer der KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft.

In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.

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