Brüssel

Die problematische EU-Ratspräsidentschaft

In der nächsten Woche übernimmt Slowenien die EU-Ratspräsidentschaft. In Brüssel sehen viele Beobachter dies mit Sorge. Denn Regierungschef Janez Janša ist nicht unumstritten.

Die problematische EU-Ratspräsidentschaft

Der heutige Freitag ist für Slowenien ein ganz besonderer Tag: Die frühere jugoslawische Teilrepublik feiert den 30. Jahrestag ihrer Unabhängigkeit. Und die Entwicklung, die das kleine Zwei-Millionen-Einwohner-Land seither genommen hat „ist alles in allem eine Erfolgsgeschichte“, wie Romana Tomc stolz feststellt. Die 55-jährige Christdemokratin ist heute eine von acht Abgeordneten ihres Landes im Europäischen Parlament. Vor allem die Beziehungen zur EU waren bisher eine Erfolgsgeschichte: Nicht einmal zwei Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung unterzeichnete Slowenien ein Kooperationsabkommen mit der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. 2004 folgte der EU-Beitritt. Schon 2007 führte das Land den Euro ein und gehörte dem Schengenraum an. Da scheint es auf den ersten Blick gut zu passen, dass Slowenien nur wenige Tage nach dem Jubiläum am 1. Juli turnusgemäß die EU-Ratspräsidentschaft antritt.

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Es ist nach 2008 das zweite Mal, dass das Land diese Aufgabe übernimmt. Damals wie heute Ministerpräsident: Janez Janša. Sehr erfahren sei ihr Parteikollege, sagt die EU-Abgeordnete Tomc. Und er werde alles tun, dass auch diese Ratspräsidentschaft ein Erfolg werde. Doch gerade daran gibt es in Brüssel große Zweifel. Denn Janša gilt auch als einer der größten und lautesten Rechtspopulisten in Europa. Er war es, der bei der jüngsten US-Wahl noch vor dem Ende der Stimmauszählung seinem Vorbild Donald Trump öffentlich zum Wahlsieg gratuliert hatte. Er war es, der Ende letzten Jahres das Veto seines Freundes und Amtskollegen Victor Orbán gegen das EU-Finanzpaket unterstützt hat, mit dem Ungarn zusammen mit Polen einen neuen Rechtsstaatsmechanismus verhindern wollte. Janša führt auf Twitter eine Fehde gegen liberale und kritische Medien. Erst vor wenigen Tagen behauptete der 62-Jährige, Medienhäuser hätten kein Recht auf Meinungsfreiheit. Bei einer kritischen Befragung im EU-Parlament sorgte er im Frühjahr für ein Eklat, als er kurzerhand einfach die Videoübertragung abbrach. Janša zweifelte wiederholt an, dass es eine menschengemachte Klimaerwärmung gibt, und plädierte auch schon mal für das Recht der slowenischen Bürger, Schusswaffen tragen zu dürfen. Nicht wenige in Europa fragen sich daher: Ist dies der richtige Mann für die EU in der aktuell so kritischen Situation?

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Einen genaueren Einblick über die politische Lage verschafften sich in diesem Monat die drei Grünen-Abgeordneten Franziska Brantner (Bundestag), Daniel Freund und Sergey Lagodinsky (beide EU-Parlament) bei einer Reise nach Ljub­ljana. Sie erhielten nach eigenen Angaben „ein bedrückendes Bild“: Zivilgesellschaft und freie Presse würden von Regierungschef Jansa heftig attackiert. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit stünden unter Druck und die Lage verschlechtere sich zusehends – auch wenn sie aktuell noch nicht so dramatisch sei wie in Polen und Ungarn, erklärten die drei. „Slowenien galt lange als Vorbild in Sachen demokratischer und wirtschaftlicher Transformation. Die aktuellen Entwicklungen zeigen leider sehr deutlich, wie bedroht demokratische Institutionen und eine freie Gesellschaft sind, wenn ein Regierungschef versucht, mit aller Kraft seine autoritäre Agenda durchzudrücken.“

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Dass zu den vier Prioritäten, die die slowenische Regierung für das anstehende Halbjahr ausgerufen hat, auch die „Stärkung des Rechtsstaats und der europäischen Werte“ gehört, kommt Beobachtern vor diesem Hintergrund eher etwas irreal vor. Das Motto der Präsidentschaft lautet „Gemeinsam. Widerstandsfähig. Europa.“, was von dem deutschen Motto im letzten Jahr („Gemeinsam. Europa wieder stark machen“) nicht weit entfernt ist. Im Zentrum steht dabei, die Erholung der Wirtschaft zu unterstützen, aber auch die EU resilienter zu machen. Themen wie der Aufbau einer Gesundheitsunion, ein besserer Schutz vor Cyberangriffen oder auch die Verabschiedung eines neuen Gesetzesrahmens für die Digitalwirtschaft stehen dabei ganz oben auf der Agenda.