KommentarÜbernahmeangebot für ProSiebenSat.1

Die Taktik der Berlusconis

Das Übernahmeofferte von Media for Europe ist für die anderen Aktionäre von ProSiebenSat.1 äußerst unattraktiv. Dahinter steckt eine Taktik des von der Familie Berlusconi kontrollierten Unternehmens.

Die Taktik der Berlusconis

ProSiebenSat.1

Die Taktik
der Berlusconis

Von Joachim Herr

Jetzt also doch: Der italienische Großaktionär Media for Europe (MFE) kündigt ein Übernahmeangebot für die anderen Anteilseigner von ProSiebenSat.1 an. Seit dem Einstieg vor sechs Jahren wurde immer wieder darüber spekuliert, bisweilen regte das von der Familie Berlusconi kontrollierte Unternehmen selbst die Fantasie an. Selten war eine Offerte jedoch so unattraktiv wie die von MFE. Dahinter steckt freilich eine Taktik.

Geboten wird nur der gesetzliche Mindestpreis, der etwa 12% unter dem Xetra-Schlusskurs vom Mittwoch liegt. An jenem Tag hatten Meldungen über eine Aufsichtsratssitzung von MFE mit dem Thema ProSiebenSat.1 den Kurs um zwischenzeitlich 7,5% nach oben getrieben. Das war auf jeden Fall im Interesse des Unternehmens – wenn nicht sogar aus den eigenen Reihen lanciert. Denn umso heftiger fiel am Donnerstag der Sturz auf den erwarteten Angebotspreis aus.

Nur geringes Stimmrecht

Zweitens besteht das Angebot aus einer Barkomponente und MFE-Aktien. Es sind Anteile der Kategorie A, die das Stimmrecht auf gerade einmal ein Zehntel begrenzen. Auf ähnliche Weise hatte MFE vor drei Jahren die Mehrheit von Mediaset España übernommen.

Das unattraktive Angebot für ProSiebenSat.1 ist ein klarer Hinweis darauf, dass es MFE nur darum geht, für einen möglichst niedrigen Preis die Kontrollschwelle von 30% zu überschreiten. Danach können die Italiener nach und nach Aktien zukaufen. Ein zweites öffentliches Übernahmeangebot muss MFE nicht unterbreiten. Zudem dürfte es ganz in ihrem Interesse sein, zumindest vorerst unter der Schwelle von 50% der Aktien zu bleiben. Denn die Bankenfinanzierungen von ProSiebenSat.1 enthalten eine Change-of-Control-Klausel. Die Kreditgeber können die Verträge kündigen, wenn ein Aktionär mindestens die Hälfte der Anteile erworben hat.

Eine Offerte ohne Reiz

Martin Mildner, der Finanzvorstand von ProSiebenSat.1, hatte auf diesen Punkt vor einem Jahr im CFO-Interview der Börsen-Zeitung hingewiesen. Er hatte auch gesagt, ProSiebenSat.1 lehne ein Angebot von MFE ohne Aufschlag auf den Aktienkurs ab. Für die anderen Aktionäre hat diese Offerte jedenfalls keinerlei Reiz.

Eine ganz andere Frage ist, ob sich die von MFE erhofften Synergien einer italienisch-deutsch-spanischen Sendergruppe überhaupt realisieren ließen. Konkrete Vorteile eines paneuropäischen Verbunds hat Media for Europe bisher nicht genannt. ProSiebenSat.1 hatte von 2007 bis 2012 mit der SBS-Gruppe in den Niederlanden, Belgien, Skandinavien und Osteuropa die enttäuschende Erfahrung gemacht, dass sich kaum Synergien nutzen lassen. Anzeichen, dass MFE erfolgreicher sein könnte, gibt es nicht.

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