LEITARTIKEL

Dieselphobie

Im Autoland D greift die Dieselphobie um sich. Wurde der Selbstzünder in der Vergangenheit noch als effizienter und umweltschonender Motor im Vergleich zu anderen Antrieben gepriesen, steht er seit dem aufgedeckten Volkswagen-Abgasbetrugsskandal am...

Dieselphobie

Im Autoland D greift die Dieselphobie um sich. Wurde der Selbstzünder in der Vergangenheit noch als effizienter und umweltschonender Motor im Vergleich zu anderen Antrieben gepriesen, steht er seit dem aufgedeckten Volkswagen-Abgasbetrugsskandal am Pranger. Aufgrund der hohen Schadstoffbelastungen in den Ballungszentren möchte so mancher die Dieselautos rasch aus den Innenstädten verbannen. Doch sind Fahrverbote die richtigen Mittel für eine tragbare verkehrspolitische Lösung, um für saubere Luft zu sorgen?Fakt ist, dass der Diesel im Bezug auf die Luftreinhaltung einen Schwachpunkt hat. Es ist die übermäßige Emission von gesundheitsgefährdenden Stickstoffoxiden. Im Vergleich zum Benziner schneidet er zwar schlechter ab, ist aber beim klimaschädlichen Kohlendioxidausstoß überlegen. Die Hauptverursacher der Stickoxide sind die Energiewirtschaft, das verarbeitende Gewerbe und die Industrie, die für zusammen 40 % der NOx-Emission aufkommen. An zweiter Stelle steht der Verkehr mit einem Anteil von 38 % – davon wiederum entfällt über die Hälfte auf Nutzfahrzeuge, danach folgt erst der Pkw-Diesel mit über einem Drittel. Aufgrund dieser Gewichte erfüllten Diesel-Fahrverbote ihren Zweck nicht.Die Autoindustrie selbst ist in die Defensive geraten. Wegen der VW-Manipulationen hat sie an Glaubwürdigkeit verloren. Die Verbraucher sind verunsichert. Der Verkauf von Dieselautos, die noch einen großen Teil des Absatzes von BMW, Daimler und VW ausmachen, bricht ein. Insofern wird es für das Trio zu einem Kraftakt, die strengeren CO2-Flottenvorgaben der EU einzuhalten. Ihre Diesel-Geschäftsmodelle stehen auf der Kippe. Kein Wunder also, dass sie Fahrverbote ablehnen.Nur rund ein Fünftel der Stickoxidbelastung in Städten geht auf die Pkw-Diesel zurück. Ein kluger Ansatz wäre also, mit gut durchdachten Maßnahmen die NOx-Emission bei den anderen Verursachern zu reduzieren. In den vergangenen Jahren hat Deutschland auf diesem Feld gewaltige Fortschritte gemacht. Laut Umweltbundesamt wurde von 1990 bis 2015 der Ausstoß der Reizgase um 60 % auf 1,2 Mill. Tonnen jährlich gesenkt. Bessere Katalysatoren, die Elektromobilität und die erneuerbaren Energien werden dazu beitragen, die Belastungen weiter zu drücken. Das Problem ist jedoch der wachsende Straßenverkehr, der das Erreichen internationaler Vorgaben (UN, EU) bei Schadstoffemissionen erschwert. In Deutschland sind 46 Millionen Pkw gemeldet, davon ein Drittel mit Dieselmotoren. Hinzu kommen 5,5 Millionen Nutzfahrzeuge, davon 2,9 Millionen (zumeist dieselbetriebene) Lkw.Die Autolobby pocht beim Thema Diesel auf eine “nationale Lösung”. Der Bund ist dafür aber nicht zuständig. Es ist eine kommunale Angelegenheit. Bei über 11 000 Gemeinden und mehr als 100 kreisfreien Städten ist eine Einigung über ein bundesweit abgestimmtes Vorgehen kaum realisierbar. Es kostet zu viel Zeit. Der jüngste Vorstoß der CSU-geführten bayerischen Landesregierung war ein Versuch, mit diesem Thema vor der heißen Phase des Bundestagswahlkampfes beim Wähler zu punkten.Das “Münchner Modell” überzeugt aber nicht, solange die Autohersteller sich dagegen sträuben, die Kosten der Nachrüstung allein zu übernehmen. Ungeachtet rechtlicher Spitzfindigkeiten wäre es jedoch ihre moralische Pflicht, diese selbst zu tragen, schließlich warben sie jahrelang recht erfolgreich für den Diesel und machten damit satte Gewinne. Ihrer Verantwortung können sie gerecht werden, wenn sie sich in die Verkehrsplanung von Großstädten einbringen. Hier wäre ihre Kompetenz gefragt, schließlich verfügen sie über das Know-how, Verkehrssysteme, die Autos, Fahrräder und den öffentlichen Nahverkehr so intelligent einzubinden, dass der Verkehrsfluss (“grüne Welle”) besser läuft.Auf diesem Feld können das autonome Fahren und die E-Autos eine Hilfestellung bieten. Denn das wäre der Schlüssel für eine dauerhafte Lösung, um die Umwelt zu schonen. Bislang taten sich die Ballungsräume schwer damit, etwas Überzeugendes auf die Beine zu stellen. Vieles wurde auf die lange Bank geschoben, weil die Motivation und das Wissen fehlten. Das Ergebnis ist vielerorts Flickschusterei. Nach der Ingenieurskunst ist technisch alles möglich. Die Zukunft gehört dem E-Auto, der Pkw-Diesel ist ein Auslaufmodell. Deswegen sind schadstofffreie Städte keine Utopie, wenn das E-Fahrzeug in Deutschland den Durchbruch schafft. Solange Vater Staat und die Autobranche aber nur zaghaft in die dafür notwendige Infrastruktur investieren, wird das Thema Diesel noch lange die öffentliche Meinung beherrschen.——–Von Stefan Kroneck Diesel-Fahrverbote sind ungeeignet, die Luft in Städten sauberer zu machen. Intelligente Verkehrssysteme, die die Hersteller mit einbinden, bieten eine Lösung.——-