LeitartikelAllianz vor unsicheren Zeiten

Die Luft wird dünner

Die Allianz liefert seit mehr als einem Jahrzehnt. Nun gilt es, für Schocks gewappnet zu sein und zugleich operativ voranzukommen.

Die Luft wird dünner

Die Allianz hat einen Lauf. Im vergangenen Jahr hat der Versicherer seine eigene Prognose für das operative Ergebnis übertroffen. Mit 16 Mrd. Euro landeten die Münchner über der Zielspanne von 13,8 bis 15,8 Mrd. Euro. Es wäre sogar mehr drin gewesen. Der Vorstand drückte das Abwicklungsergebnis der Sachversicherung im vierten Quartal so weit hinunter wie seit sechs Jahren nicht mehr – und legte damit Polster für künftige Gewinne an.

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Die Luft wird dünner

 Die Allianz liefert
seit mehr als einem Jahrzehnt. Nun gilt es zunehmend, für Schocks gewappnet zu sein.

Von Michael Flämig

Das Verfehlen von Prognosen, entweder nach unten oder nach oben, mag für manche Unternehmen zum Bilanzgeschäft gehören. Der Versicherer ist dagegen ein Muster an Berechenbarkeit. In der Amtszeit von Oliver Bäte als Vorstandsvorsitzender landete die Allianz ansonsten, abseits des Ausnahmefalls der Coronakrise 2020/2021, immer in der selbst gewählten Bandbreite.

Der Kapitalmarkt hat die Präsentation der Zahlen dennoch mit einer gewissen Unzufriedenheit kommentiert. Warum? Die Allianz hat ihr operatives Vorjahres-Ergebnis erneut als Ausgangspunkt für ihre Prognose für die laufende Periode genommen, also als Mittelwert für die Zielbandbreite gesetzt. Dies sei wenig ambitioniert, kritisierten die Analysten.

Konservative Prognosepolitik

Mag sein. Aber: Die Investoren fordern andernorts gerne eine Prognosepolitik ein, die Verlässlichkeit garantiert. Beispielsweise auf der Hauptversammlung von Siemens Healthineers verlangte die Fondsgesellschaft DWS, das Management solle eine konservative Kommunikation mit dem Kapitalmarkt wählen. So stärke man langfristig das Vertrauen. Nun sind Kursreaktionen auf Tagesbasis nur eingeschränkt aussagefähig, zumal die Allianz-Aktie in den Tagen zuvor einen kräftigen Kursanstieg hingelegt hatte. Aber die Anforderungen an Unternehmen fallen manchmal erstaunlich divergent aus. Die Allianz auf jeden Fall führt beispielhaft vor, dass sie den Mittelwert ihrer Prognosespanne ständig übertrifft. In Bätes Amtszeit ist dies, eben abseits der zwei Corona-Jahre, immer gelungen.

Die Luft wird allerdings immer dünner, daran kann es keinen Zweifel geben. Das operative Ergebnis des vergangenen Jahres ist fast doppelt so hoch wie noch im Jahr 2010. Der Nettogewinn als entscheidende Richtgröße für die Dividende befindet sich ebenfalls auf Rekordniveau. Der regelmäßige Rückkauf von Anteilscheinen hilft zwar, das Ergebnis je Aktie überproportional zu steigern. Aber die Allianz tut gut daran, sich auf gravierende Turbulenzen vorzubereiten. Auch im Jahr 2007 schienen die Bäume in den Himmel zu wachsen, es folgte die Finanzkrise. Die aktuellen geopolitischen Instabilitäten werden ebenfalls die Wirtschaft erwischen. Wann? Dies ist für viele Investoren die zentrale Frage. Es wird wie immer überraschend und in diesem Fall durchschlagend sein. 

Wetterfest machen

Aus Sicht einer Allianz, die eng mit dem Kapitalmarkt verwoben ist, ist Timing jedoch nicht die entscheidende Kategorie. Es gilt vielmehr, den Versicherer wetterfest zu machen. So weit wie möglich koppeln die Münchner ihre Kapitalanlage bereits von den Volatilitäten des Marktes ab. Derlei ist teuer, aber richtig. Lieber heute auf einige Basispunkte Rendite verzichten als morgen auf den gesamten Konzern.

Derweil hat die Allianz operative Hausaufgaben zu erledigen. Der Boom in der Industrieversicherung hat zuletzt die Schaden- und Unfallversicherung getragen. Nun ebbt die Welle ab, wenngleich die Profitabilität unverändert hoch ist. Im Privatkundengeschäft gilt es, Gewinne zu steigern. Die sinkenden Zinsen drücken zudem konzernweit auf die Kapitalerträge, die Versicherungstechnik muss die Einbußen wettmachen.

Baustelle Asset Management

Im Assetmanagement sind strategische Fragen nicht gelöst. Die Fondsgesellschaft AGI hat zwar 2024 eine hohe Gewinnsteigerung abgeliefert. Doch die Anleger haben in den vergangenen drei Jahren 9 Mrd. Euro abgezogen. Während Pimco als Allianz-Spezialist für festverzinsliche Anlagen seit Beginn des Jahrzehnts 124 Mrd. Nettozuflüsse in einem widrigen Zinsumfeld geholt hat, ist es für AGI trotz Aktienbooms nur gut ein Drittel.

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