Die Wirtschaftsweisen demontieren sich selbst
Regierungsberater
Wirtschaftsweise
demontieren sich
Von Stephan Lorz
Der Mehrheit der Wirtschaftsweisen ist beizupflichten, wenn sie in ihrer Rücktrittsforderung an ihre Kollegin Veronika Grimm zunächst darauf verweist, dass die Berufung in den Aufsichtsrat von Siemens Energy ja eine „Auszeichnung“ sei. Das ist sie in der Tat, weil das Unternehmen offenbar davon überzeugt ist, dass die Volkswirtin jenseits ihrer rein akademischen Expertise auch der realen Geschäftswelt Rat geben und ein Unternehmen beaufsichtigen kann. Rat geben ist auch der Auftrag der Wirtschaftsweisen im Hinblick auf die Bundesregierung. Was ist, wenn der wissenschaftliche Rat unbrauchbar wäre, weil er nicht praxisnah genug ist? Weil man sich zu sehr im akademischen Elfenbeinturm eingeigelt hat und den Kontakt mit der Unternehmenswelt scheut. Dann wäre er ja überflüssig.
Es ist daher falsch, wenn solcherart Interessenkonflikte zu einem Rückzug aus einem wichtigen Beratungsgremium führten. Denn die Wirtschaftsweisen entscheiden nicht, sondern debattieren und kommen zu Kompromissen. Zudem gibt es Interessenkonflikte natürlich nicht nur in Bezug auf Veronika Grimm, sondern etwa auch in der Person von Achim Truger, der von den Gewerkschaften nominiert wurde, oder von Martin Werding, der auf dem Arbeitgeberticket fährt. Und wie reflektieren jene Mitglieder, die von der Politik nominiert wurden, ihre Arbeit? Fühlen sie sich zum regierungsamtlichen Handeln verpflichtet? Sehen sie sich etwa als Werkzeug, um einen wirtschaftspolitischen Kurs argumentativ zu unterfüttern? Wohl kaum.
Das Zerwürfnis im Rat scheint eher in den offensichtlichen inhaltlichen Meinungsunterschieden der Akteure zu liegen. Dabei war die große ökonomische Bandbreite bei der Gründung des Gremiums seit jeher so gewollt und muss ausgehalten werden. Auch für erklärte Kritiker des Regierungskurses war immer Platz, bisweilen ausgedrückt mittels Sondervoten in den Gutachten. Sollen Minderheitsmeinungen nun rausgemobbt werden? Sieht so aus, denn der Eklat scheint inszeniert, jede Entscheidung führt zu Gesichtsverlust. Zweifelhaft, dass Grimm mit dieser Gruppierung noch arbeiten kann.