Notiert in Washington

Ein Präsident im freien Fall

US-Präsident Joe Biden hat ein massives Infrastrukturgesetz unterschrieben, die Wirtschaft wächst, und er engagiert sich unermüdlich im Kampf gegen Klimawandel und für mehr Sozialausgaben. Trotzdem sinkt Biden im Ansehen der Wähler immer weiter. Das wiederum bereitet den Demokraten große Sorgen.

Ein Präsident im freien Fall

US-Präsident Joe Biden versteht die Welt nicht mehr. Gerade am Montag unterschrieb er ein beliebtes, billionenschweres Infrastrukturgesetz. Die Wirtschaft brummt, und eine Mehrheit der Wähler unterstützt Bidens Haushaltsentwurf, der fast 2 Bill. Dollar für den Sozialetat und die Bekämpfung des Klimawandels vorsieht. Eigentlich spricht alles dafür, dass der Präsident hoch in der Gunst seiner Landsleute steht, meinen Biden und seine Berater. Eingetreten ist aber das Gegenteil.

Wie aus den jüngsten Wählerumfragen hervorgeht, ist Biden mittlerweile ungefähr so beliebt wie sein Amtsvorgänger Donald Trump es nach der Stürmung des Kapitols am 6. Januar dieses Jahres war. Laut einer gemeinsamen Befragung der „Washington Post“ und des Nachrichtensenders ABC News, die als verlässliches Stimmungsbarometer angesehen wird, sind nur 41% der Amerikaner mit der Amtsleistung Bidens zufrieden. Dabei hatte dieser bei der Wahl im November vergangenen Jahres mehr Direktstimmen erhalten als jeder seiner 45 Vorgänger. Andere Studien kommen übrigens zu ähnlichen Ergebnissen.

Die Gründe, die sich hinter Bidens freiem Fall in der Wählergunst verbergen, sind komplex. Angesichts der steigenden Inflation sind nämlich die meisten US-Bürger der Ansicht, dass es der Wirtschaft schlecht geht. Trotz des robusten Arbeitsmarkts und des Überangebots an offenen Stellen. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein amtierender Präsident auch Faktoren auf seine Kappe nehmen muss, auf die er keinen Einfluss hat. In diesem Fall eben den Inflationsdruck, der auch ein Auswuchs der Corona-Pandemie ist.

Dabei mag die steigende Inflation das geringste von Bidens Problemen sein. Einzigartig ist nämlich, dass mehr als Drittel der Amerikaner nach wie vor an die „große Lüge“ glaubt, wonach Biden den Sieg „gestohlen“ habe und nicht der rechtmäßige Regierungschef sei. Denn Trump ist es auch ohne Twitter und Facebook gelungen, diese Fiktion bis heute am Leben zu halten und seinen Einfluss bei Republikanern geltend zu machen, die fast jede Gesetzesinitiative Bidens zu blockieren versuchen.

Eine noch schwierigere Herausforderung besteht in dem Widerstand in der eigenen Partei, mit dem Biden zu kämpfen hat. Progressive Demokraten haben bisher die Verabschiedung seines neuen Haushalts blockiert, weil sie mehr Geld für den Sozialetat fordern, und haben erst kürzlich Kompromissbereitschaft signalisiert. Zudem legen sich zwei moderate Demokraten im Senat quer, weil ihnen der Budgetentwurf zu teuer ist. Für Biden und die Demokraten verheißen die sinkenden Umfragewerte gepaart mit den Flügelkämpfen in der Partei nichts Gutes. Bei der Gouverneurswahl in Virginia hatten sie kürzlich eine schwere Schlappe erlitten, und nun bangen sie um ihre Mehrheiten bei den im November 2022 anstehenden Kongresswahlen.

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Das Trump International Hotel in Washington, das Kronjuwel im Immobilienportfolio des ehemaligen Präsidenten, soll bald „Waldorf Astoria“ heißen. Die „Trump Organization“ hat offenbar die Rechte an dem traditionsreichen Gebäude, das bis zum Anfang des Ersten Weltkriegs Washingtons Hauptpostamt war, an die Investmentfirma CGI Merchant Group verkauft. 375 Mill. Dollar soll das in Miami ansässige Unternehmen gezahlt haben und will prompt den Namen „Trump“ von der Fassade des Altbaus entfernen. Die Investoren stehen mit der Hilton-Hotelgruppe in Verhandlungen, der wiederum die Waldorf-Astoria-Kette gehört.

Für den früheren Präsidenten handelt es sich um einen schmerzlichen Verlust. Schließlich war er stolz darauf, dass nur einen kurzen Fußweg vom Weißen Haus entfernt eine Luxusherberge mit seinem Namen versehen ist. Probleme bereitete ihm das Hotel aber deswegen, weil den Trumps vorgeworfen wurde, sich während Donalds Präsidentschaft daran rechtswidrig bereichert zu haben. Kongressermittlungen zufolge kassierte das Trump International seit seinem Amtsantritt 3,7 Mill. Dollar von ausländischen Diplomaten und Staatsgästen, die dort untergebracht waren. Auch bleibt das Hotel bis heute eine beliebte Unterkunft vieler republikanischer Politiker.