Im BlickfeldDrehscheibe in den Osten

Eine Karavane in die Wüste

Mehr als 30 deutsche Familienunternehmen nehmen derzeit die Freihandelszone in Dubai ins Visier. Neben Finanzdienstleistungen rückt der Handelskrieg mit den USA auch die Brückenkopffunktion der Stadt für die Märkte des mittleren Ostens ins Rampenlicht.

Eine Karavane in die Wüste

Eine Karavane in die Wüste

Mehr als 30 deutsche Familienunternehmen nehmen derzeit die Freihandelszone in Dubai ins Visier. Neben Finanzdienstleistungen rückt der Handelskrieg mit den USA auch die Brückenkopffunktion der Stadt für die Märkte des Mittleren Ostens ins Rampenlicht.

Von Heidi Rohde, zzt. Dubai

Go East“, die Erschließung von Märkten im Mittleren und Fernen Osten (jenseits von China) ist eine Strategie, die deutsche Unternehmen bereits seit einigen Jahren verstärkt ins Auge gefasst haben, um die Folgen der wachsenden geopolitischen Spannungen zwischen den USA und dem Reich der Mitte auszugleichen. Das von der Trump-Administration entfesselte Zollchaos gibt diesem Trend allerdings eine neue Dynamik, wie Martin Henkelmann, CEO der Deutsch-emiratischen Industrie- und Handelskammer (AKH), vermutet. „Viele deutsche Unternehmen würden eine Freihandelsvereinbarung zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und der EU begrüßen, wenn sich ein Abkommen mit dem Gulf Cooperation Council nicht auf die Schnelle erreichen lässt“, erklärt der Manager der Börsen-Zeitung. Aktuell ermöglicht bereits das CEPA-Abkommen der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) mit Ländern wie Indien, Israel oder Indonesien zollvergünstigten Handel, sofern ein Produkt zu mindestens 35% bis 40% in den VAE gefertigt wurde oder bestimmte Verarbeitungsschritte erfüllt. Die VAE rechnen daher mit steigenden deutschen Direktinvestitionen, die sich im laufenden Jahr auf bis zu 7 Mrd. Euro belaufen sollen.

Der Export deutscher Industrieunternehmen aus Dubai belief sich zuletzt auf 9,7 Mrd. Euro. Als Drehscheibe in den Osten spielt die Stadt in erster Linie für große Logistiker wie DHL ein zentrale Rolle. Schwergewichte wie Siemens oder BASF nutzen den Standort, um sich die Region zu erschließen. Aber auch Mittelständler lassen sich in Dubai nieder. Familienunternehmen wie Knauf, Caparol oder Wilo zählen zu den Adressen, die sich dort niedergelassen haben. „Dubai dient als Brückenkopf, unter anderem für den afrikanischen Markt, und aufgrund der historisch engen Verbindung auch als idealer Ausgangspunkt, um Indien als wachsenden Markt im Bereich der Schwellenländer zu bedienen“, betont der AKH-CEO.

Neues Goldenes Visum

Vor allem nach der Coronakrise hat Dubai an Anziehungskraft gewonnen. Um die Stabilität der Unternehmen zu festigen und vor allem um sicherzustellen, dass Dubai über ein reiches Reservoir von „Talenten und hochqualifizierten Arbeitskräften“ verfüge – wie es offiziell heißt –, hat die Regierung 2020 eine weitreichende Rechtsreform durchgeführt, die insbesondere die Erteilung von sogenannten „Golden Visa“ ermöglicht. Damit ist ein dauerhafter Aufenthalt in Dubai nicht mehr direkt an einen Arbeitsplatz gebunden, sondern dafür reichen jetzt beispielsweise auch Immobilienbesitz oder besondere Qualifikationen aus. Die Maßnahme soll die Einwohnerfluktuation eindämmen und besonders die Spekulation am Immobilienmarkt dämpfen.

Henkelmann betont unterdessen, dass aus seiner Sicht die Komibination aus „sehr guter Verkehrsanbindung und Infrastruktur, einer innovationfreundlichen Regulierung und eines wettbewerbsfähiges Steuersystems“ zentrale Einflussfaktoren sind. Obwohl Henkelmann letzteres „nicht überbetonen“ möchte und hervorhebt, dass Dubai sich bei der Unternehmensbesteuerung mit Blick auf Großkonzerne an die Mindestempfehlung der OECD von 15% halte, kommt insbesondere die Ansiedlung der genannten deutschen Familienunternehmen nicht überraschend. Sie blicken teilweise auf eine lange Erfolgsgeschichte zurück, etwa die 1895 von der Familie Murjahn gegründete Caparol, die im Besitz der Robert Murjahn und Co. KG ist, oder die 1932 gegründete Knauf-Gruppe, die ebenfalls weiterhin im Familienbesitz ist.

Mit Steuern unzufrieden

Deutsche Familienunternehmen und Family Offices zeigen wachsendes Interesse an der Freihandelszone in Dubai. Das Dubai International Finance Centre (DIFC) hat vergangene Woche eine Gruppe von mehr als 30 Unternehmen und privaten Vermögensverwaltern von Familien aus Deutschland empfangen, wie Jonathan Beardall, Vice President Wealth & Asset Management des DIFC, Medienvertretern in Dubai sagt. Triebfeder sei insbesondere die „Unzufriedenheit mit den steuerlichen Rahmenbedingungen“ in Deutschland, nicht nur mit Blick auf die Unternehmensbesteuerung, sondern in wachsendem Maße auch „hinsichtlich Erbschaftssteuern“, so Leam Sheena, Head of Wealth Planning Dubai, bei Julius Baer. Die Beratung in der Vermögensübertragung von wohlhabenden Familien oder Individuen ist Sheena zufolge „zentraler Bestandteil unserer Services hier in Dubai“. Welche deutschen Vermögen im DIFC bereits betreut werden, will er nicht sagen. „Aber das Interesse ist riesig.“

Reguliert nach Common Law

Dafür biete die 2004 gegründete DIFC als spezielle Wirtschaftszone innerhalb der VAE aufgrund ihres eigenen Rechts-und Regulierungssystems, das sich am britischen Common Law orientiert, einen attraktiven Rahmen. Die Freihandelszone, die primär das Ziel hat, die wirtschaftliche Abhängigkeit der Emirate von den fossilen Energieträgern Öl und Gas zu verringern, hat im vergangenen Jahr beim Wachstum große Sprünge gemacht. Während die Zahl der registrierten Unternehmen insgesamt um ein Viertel auf 6.920 stieg, schwollen die „Familieneinheiten“ um ein Drittel auf 800 an, wie das DIFC hervorhebt.

Wealth Management als zentrale Triebfeder

Wealth Management ist die zentrale Triebfeder. Globale Family Offices im DIFC haben den Angaben zufolge inzwischen 1,2 Bill. Dollar Assets under Management. Dabei hat das Wealth Management im vergangenen 790 Mrd. Dollar betreut, wie Beardall der Börsen-Zeitung sagt. „2023 waren es noch 440 Mrd.“, so der Manager. Die Auswirkungen der von der neuen US-Administration ausgelösten Turbulenzen an den globalen Kapitalmärkten seien bisher noch nicht einzuschätzen. „Allerdings ist es üblich, dass die Märkte solche Veränderungen antizipieren“, erklärt er mit Blick auf die wachsenden Kapitalzuflüsse in der Freihandelszone.

Für seine Finanzdienstleistungen wirbt das DIFC mit schnellem und unbürokratischem Onboarding sowie einem „sicheren Rechtsrahmen“, der von der Dubai Financial Services Authority (DFSA) kontrolliert wird. Deren CEO Ian Johnston zufolge können „kleine Familieneinheiten“ in der Regel „binnen ein, zwei Tagen“ eine Lizenz erhalten. Bei Banken brauche man „mindestens sechs Monate“, was im globalen Vergleich allerdings schnell sei. Insbesondere der geringe bürokratische Aufwand, um etwa ein Family Office zu registrieren und lizensieren, locke Familien und vermögende Privatkunden an.

117 bilaterale Abkommen

Dabei steige – wenig überraschend – das Interesse aus Deutschland und der EU. „Ich persönlich halte die EU für überreguliert“, erklärt Johnston und unterstreicht zugleich, dass die DFSA „Basel compliant“ aufgestellt sei und mit allen wesentlichen Finanzregulatoren Abkommen habe, aus deren Jurisdiktionen Finanzdienstleister oder Family Offices im DIFC registriert seien. So besteht eine Vereinbarung mit der Bafin, unter anderem weil die Deutsche Bank in der Freihandelszone eine Lizenz hat. Insgesamt hat die DFSA 117 bilaterale Abkommen im Rahmen einer internationalen Regulierungskooperation.

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