Endlich auf Kurs
Knapp ein Jahr ist es her, dass CEO Christian Klein dem Softwarekonzern SAP mit einer stärkeren Fokussierung auf die Cloud seinen Stempel aufgedrückt hat. Die erste Reaktion der Investoren fiel im Herbst 2020 verheerend aus – auch weil Klein und CFO Luka Mucic mit der Neujustierung eine Absenkung der Mittelfristziele verbunden hatten. Mit den nun vorab veröffentlichten Zahlen zum dritten Quartal 2021 können die Walldorfer erstmals zeigen, dass die Strategie auf einem soliden Fundament fußt.
Insbesondere der kräftige Anstieg im Current Cloud Backlog (CCB) von S/4 Hana, der den für die kommenden zwölf Monate erwarteten Cloud-Erlös des Kernprodukts beschreibt, gibt Klein und Mucic recht. Das im Frühjahr vorgestellte Programm „Rise with SAP“ sollte gerade hier Fortschritte zeitigen. Im zweiten Quartal waren diese noch zaghaft ausgefallen. Nachdem der CCB von S/4 Hana im ersten Vierteljahr um 43% gestiegen war, lag das Plus im zweiten Quartal bei 48%. Umso überraschender kommt nun der Sprung um satte 60%.
Wie wichtig die Adaption der Cloud-Variante der SAP-Software zur Ressourcenplanung von Unternehmen (ERP) ist, hat unlängst eine wenig schmeichelhafte Befragung unter Mitgliedern der SAP-Anwendergruppe DSAG ergeben. Hier zeigte sich eine anhaltend hohe Unzufriedenheit über den Zustand der Integration von SAPs Cloud-Anwendungen im SAP-Ökosystem. Eigentlich hatte sich Klein auf die Fahnen geschrieben, die seit langem bestehende Kritik zu adressieren, und diesbezüglich auch schon Erfolge vermeldet.
Die Diskrepanz zwischen Umfrage und Selbstdarstellung rührt indes aus einem Missverständnis her. In den Genuss der versprochenen tiefen Integration kommt nur, wer das aktuelle ERP-System aus Walldorf im Einsatz hat. An sich ist das keine ungewöhnliche Sache. Auch der US-Softwarekönig Microsoft stellt den Nutzern älterer Office-Versionen schon aus ökonomischen Gründen nicht jede Verbesserung des Cloud-Angebots Office 365 bereit.
Für die Steigerung der Kundenzufriedenheit mit den Cloud-Anwendungen von SAP ist es daher extrem wichtig, möglichst viele Anwender so schnell wie möglich von S/4 Hana zu überzeugen. Mehr noch als die angehobenen Jahresziele und die guten Zahlen im dritten Quartal ist die Erkenntnis, dass dies offenbar zu gelingen scheint, eine positive Nachricht für SAP und ihre Anleger. Europas größter Softwarekonzern ist nach einem Jahr der Verunsicherung endlich auf Kurs.
(Börsen-Zeitung,