KommentarBundestagswahl

Enttäuschungen voraus!

Schon die vorliegenden Wahlversprechen sind nicht gegenfinanziert. Viele notwendige Milliardeninvestitionen in die Infrastruktur, in das Klima und in die Bundeswehr werden aber noch gar nicht adressiert. Ist der Kapitalmarkt die letzte Rettung?

Enttäuschungen voraus!

Bundestagswahl

Enttäuschungen voraus!

Von Stephan Lorz

Ein Blick in die Wahlprogramme zeigt: Es werden zwar die Unterschiedlichkeiten mit Blick auf die jeweilige Wählerklientel der Parteien deutlich, aber im Grunde handelt es sich nur um Retuschen des bisherigen Kurses oder um eine Umkehr in frühere politische Gefilde. Das wird den Herausforderungen, denen sich der Wirtschaftsstandort gegenübersieht, nicht im Ansatz gerecht. Etwas mehr Markt und weniger Steuern bei CDU/CSU, noch etwas mehr Staat und Umverteilung bei Grünen und SPD und altes wirtschaftslibertäres Gedankengut bei der FDP. Das mag bestenfalls tatsächlich zu mehr Wachstum führen, schlimmstenfalls führt es zu Strohfeuereffekten und noch mehr Verkrustung. Der stockende Strukturwandel, die nachhängende Digitalisierung, die marode Infrastruktur, die festgefahrene Klimatransformation sowie die Aufrüstung und Modernisierung der Bundeswehr werden damit jedenfalls nicht adressiert.

Das alles muss obendrein bezahlt werden. Schon die vorliegenden Wahlversprechen sind nicht gegenfinanziert. Bei den zentralen, unausgesprochenen Themen geht es aber noch um ganz andere Summen: 600 Mrd. Euro für Infrastrukturinvestitionen, 760 Mrd. Euro für die Klimatransformation, jährlich 120 Mrd. Euro (statt bisher 52 Mrd. Euro) für die Bundeswehr. Von der Dringlichkeit einer konsequenten Entbürokratisierung ganz zu schweigen. Die ist zwar kostenlos, doch bisher hatten diverse Regierung derlei Versprechungen nie wahrgemacht. Woher die Zuversicht nehmen, dass es diesmal anders läuft?

Enttäuschungen sind also programmiert. Der Bankenverband hat nun den Akzent auf die zentrale Rolle des Finanzstandorts gelegt. Das ist klug, denn zur Finanzierung der enormen Investitionssummen braucht es den Kapitalmarkt dringend. Obendrein sind auch neue Finanzierungsmodelle zu überlegen, wie die riesigen Summen mobilisiert werden können. Bleibt die Hoffnung, dass die Wahlkämpfer später in der Regierung, sobald sie die Last der Verantwortung spüren, sich dann mehr dem Gemeinwohl verpflichtet fühlen und aus der Parteiräson ausbrechen – und den Bürgern reinen Wein einschenken.


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10-Punkte-Papier des Bankenverbands

Zukunftsinvestitionen sprengen den deutschen Haushalt

Leitartikel zum Bundestagswahlkampf

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