LeitartikelFondsregulierung

ESG muss mehr als Ausschluss sein

Die künftige EU-Kommission wäre gut beraten, für nachhaltige Fonds eine Kategorie „Transition“ zu verankern. Ein wichtiger Impuls kommt dabei vom Wertpapierregulator ESMA.

ESG muss mehr als Ausschluss sein

Fondsregulierung

ESG muss mehr als Ausschluss sein

Die EU-Kommission wäre gut beraten, für nachhaltige Fonds eine Kategorie „Transition“ zu verankern.

Von Jan Schrader

Auf den ersten Blick mutet der Vorstoß des EU-Wertpapierregulators ESMA wie ein Ungetüm an: Nicht nur die englischen Begriffe „Environmental“, „Social“, „Governance“, „Impact“ und „Sustainability“ dienen als Kategorie für nachhaltige Fonds, sondern auch „Transition“, wie die neuen Leitlinien hergeben. Fonds, die das Wort oder auch sinnverwandte Begriffe im Namen führen, sollen Firmen auf einem messbaren Pfad eines nachhaltigen Wandels begleiten. Als ob das Wirrwarr nicht bereits groß genug ist! Doch geht der Plan, den die ESMA Mitte Mai finalisierte, in die richtige Richtung. Wenn sich die neue EU-Kommission nach der anstehenden Europawahl geformt hat, täte sie gut daran, die Kategorie auszuformulieren.

Bisher läuft der Streit nach bekanntem Schema ab: NGOs wie Urgewald, Facing Finance und Finanzwende bemängeln die Investition von Fonds in umstrittene Unternehmen und Branchen oder eine große Ähnlichkeit des ESG-Portfolios im Vergleich zum breiten Aktienmarkt. Aus Sicht der Branche gehören aber auch „braune“, also bislang nicht nachhaltige Unternehmen in ein Portfolio, damit ein Fondsmanagement die Firmen zu einem Wandel animieren kann.

Zwei Ansätze, zwei Kategorien

Das mag zuweilen eine Schutzbehauptung sein. Doch ergibt eine Unterteilung grundsätzlich Sinn: Denn es gibt verschiedene Auffassungen dazu, was ein nachhaltiger Fonds leisten soll. Für die einen geht es darum, keine Rendite mit umstrittenen Geschäftsmodellen zu erzielen. Daraus folgt, strittige Firmen und Branchen auszusieben, also Waffen, Tabak, Kohle und Konsorten. Andere wollen über die nachhaltige Ausrichtung eine positive Wirkung erzielen. Dann ist es richtig, in umstrittene, aber potenziell wandlungswillige Unternehmen zu investieren, um als Eigner Einfluss zu nehmen. Beide Sichtweisen sind jeweils schlüssig, führen aber zu gegensätzlichen Strategien. Für sie muss es verschiedene Kategorien geben.

Trotz ESMA-Leitfaden ist die Regulierung aber noch unscharf. Zwar schuf die EU-Offenlegungsverordnung mit Artikel 8 („ökologische oder soziale Merkmale“) und mit Artikel 9 („nachhaltige Investitionen“) zwei gesetzliche Hüllen. Doch die sind reichlich vage und die ESMA allein kann die Lücke nicht schließen. Der Gesetzgeber sollte nachlegen. Vorgaben für „Transition“ sind nötig: Investmentfonds sollten Belege liefern, dass sie sich tatsächlich für einen Wandel einsetzen. Wären die Vorgaben zu lasch, drohte eine halbherzige Umsetzung und der „Greenwashing“-Vorwurf wäre programmiert.

Es lässt sich darüber streiten, wie der Zielkonflikt zwischen Flexibilität in der Kapitalanlage und Belastbarkeit der Vorgaben gelöst werden sollte. Fondsbranche und Finanzkritiker werden die Abwägung anders beantworten. Doch was immer auch sinnvoll erscheint: Eine Abkehr von Kategorien ist keine Option, solange die Politik an der Pflicht festhält, die Präferenzen der Anlegerinnen und Anleger rund um Nachhaltigkeit abzufragen. Wenn der Gesetzgeber nachhaltige Investments auf diese Weise forciert, muss er Regeln schaffen, damit der Begriff nicht beliebig wird.

Bislang wird „Transition“ überwiegend mit Treibhausgas in Verbindung gebracht. Energieriesen, Stahlkocher, Betonmischer, Automobilkonzerne und viele weitere müssen sich wandeln, um ihre Emissionen deutlich zu senken. Künftig kommt es darauf an, auch andere strittige Themen der Logik zu unterziehen. Das kann eine Überwachung von Zulieferketten zur Prävention von Zwangsarbeit umfassen, den Umgang mit Tieren und den Schutz von Biodiversität, eine verbraucherfreundliche Geschäftspolitik, Diversität in der Belegschaft und vieles mehr.

Rüstung kein Tabu

Ein heißes Eisen wird die Rüstungsindustrie sein. Viele nachhaltige Fonds meiden die Branche, weil die Produktion und Verbreitung von Waffen kontrovers ist, selbst wenn sie ausschließlich zur Abschreckung und Verteidigung dienen. Aber gerade deshalb ist die wahrnehmbare Präsenz kritischer Investoren wichtig. Ein nachhaltiger Fonds, der auch in Rüstung investiert, wäre erklärungsbedürftig. Unmöglich sollte er nicht sein.

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