Etwas Hoffnung für die Verlierer des Credit-Suisse-Debakels
Milliardenklagen
Hoffnung für die Verlierer des Credit-Suisse-Debakels
Die Bilanz der Credit Suisse war eine Schönwetterkonstruktion. Das juristische Nachspiel fordert die Schweiz im In- und Ausland gerade heftig heraus.
Von Daniel Zulauf, Zürich
Auf dem Bericht der Untersuchungskommission des Schweizer Parlaments (Puk) über die Hintergründe des Credit-Suisse-Untergangs ruhen immense Erwartungen. Dem Dokument, das dem Vernehmen nach mit einem Umfang von 500 Seiten noch vor Weihnachten veröffentlicht werden soll, blickt mit großer Spannung auch eine besondere Gruppe von Verlierern des Bankkollapses entgegen.
Die Rede ist von jenen Gläubigern, deren Anleihen die Credit Suisse am denkwürdigen Sonntag, dem 19. März 2023, vollständig abgeschrieben hatte. Sie hatte auf Geheiß der Finanzmarktaufsicht (Finma) gehandelt, die sich ihrerseits auf eine geheime, am selben Tag vom Bundesrat erlassene Notverordnung stützte.
Auf 16 Mrd. sfr beläuft sich das Kapital, das die Credit Suisse mithilfe dieser Additional-Tier-1-Bonds, kurz AT1-Anleihen, eingesammelt und am Ende mit einem Tintenstrich wertlos gemacht hatte.
Übernahme „nicht nötig“
Rund 2.500 Geschädigte haben in der 30-tägigen Frist nach Besiegelung der Übernahme beim Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen Einspruch erhoben. Gut 1.000 von ihnen lassen ihre Interessen von der Anwaltskanzlei Quinn Emanuel Urquhart & Sullivan vertreten.
Rechtmäßigkeit der Abschreibung abgestritten
Die Kläger bestreiten die Rechtmäßigkeit der Abschreibung. Die dafür nötigen Bedingungen, wie sie in den Emissionsprospekten der AT1-Anleihen stipuliert waren, seien am 19. März 2023 nicht erfüllt gewesen. Das von der Credit Suisse ausgewiesene und von den Behörden bis zuletzt bestätigte Eigenkapital sei nie unter die kritische Schwelle gefallen, von der an es vertragsgemäß zu der Abschreibung hätte kommen müssen. Auch habe die Credit Suisse nach der Nationalbank-Injektion von 50 Mrd. sfr am 15. März 2023 über ausreichend Liquidität verfügt. Die Kläger verlangen die Aufhebung der Finma-Verfügung vom 19. März.
Finanzplatz war in Aufruhr
Die Finma betonte ihrerseits, die staatliche Unterstützung der Credit Suisse habe die Abschreibung der AT1-Anleihen nötig gemacht und eine Stärkung des Kernkapitals der Bank bewirkt. Die Argumente der Streitparteien mögen in den Ohren juristischer Laien nach Spitzfindigkeiten klingen. Schließlich war in jenen Märztagen auf dem Schweizer Finanzplatz die Hölle los. Heerscharen von verängstigten Credit-Suisse-Kunden waren dabei, ihre Konten aufzulösen um das Geld anderweitig in Sicherheit zu bringen.
Doch eine Vertrauenskrise, wie sie die Schweizer Finanzministerin Karin Keller-Suter zu Recht diagnostizierte, ist eben nicht zwingend ein „Trigger-Event“, ein vertraglich definiertes Ereignis, bei dem die Abschreibungsklausel im Emissionsprospekt zum Zug kommt.
Verweis auf öffentliches Interesse
In der noch beim Bundesverwaltungsgericht liegenden Antwort von Finma und UBS auf die Beschwerden dürfte die Behörde ihre Verfügung unter anderem mit dem öffentlichen Interesse verteidigen. Tatsächlich waren die Märkte und die Regierungen vieler großer Länder im März 2023 besorgt um die Finanzstabilität und die Sicherheit der eigenen Banken. Im Berner Finanzministerium sollen die Telefone heiß gelaufen sein. Washington, London, Paris, Berlin – überall habe man die Übernahme durch die UBS als besten und sichersten Weg gesehen, die Panik zu überwinden. Zwar behaupten die Kläger, die Übernahme sei mit Blick auf die Kapital- und Liquiditätsposition der Credit Suisse nicht nötig gewesen. Sollte das Bundesverwaltungsgericht aber dennoch zum Schluss kommen, dass die Finma-Verfügung nötig und rechtens war, seien die Gläubiger für ihre staatlich verordnete Enteignung zu entschädigen, lautet die Eventualforderung in der Beschwerde.
Entschädigung gefordert
Eine solche Enteignungsklage führen Quinn Emanuel Urquhart & Sullivan seit Juni auch in New York. Am Dienstag wurde bekannt, dass der große US-Vermögensverwalter Alliance Bernstein auf die Klage aufgesprungen ist und eine Entschädigung von 225 Mill. Dollar fordert. Es ist wahrscheinlich, dass dieser prominente Name in der Klägerschaft nun weitere bekannte Adressen zum Mitmachen motiviert. Der District Court for the Southern District of New York wird im kommenden Jahr entscheiden müssen, ob er überhaupt eine Klage gegen die Eidgenossenschaft annehmen will. Unter dem Foreign Sovereign Immunities Act genießt die Schweiz im Prinzip Immunität gegen private Zivilklagen. Es sei denn, das Land biete Hand zu Geschäften mit rein kommerziellem Hintergrund, welche die Eigentumsrechte amerikanischer Bürger einschränkten.
Schweiz holt sich juristischen Beistand in New York
Die Kanzlei Quinn Emanuel Urquhart & Sullivan argumentiert, die Schweiz habe bei der Übernahme der Credit Suisse „faktisch die Rolle einer Investmentbank“ eingenommen und den Deal eingefädelt. Das Argument klingt abenteuerlich, aber die Schweiz nimmt es offensichtlich ernst genug, um in New York ihrerseits eine renommierte Anwaltskanzlei zu mandatieren. Heikel könnte es für die Schweiz bereits werden, wenn sich das Gericht in Manhattan nur schon dem Fall annehmen würde. Dann könnten die Richter die Herausgabe jener Akten verlangen, die der Bundesrat in seiner Notverordnung unter anderem mit Verweis auf die Risiken im Zusammenhang mit „der Vielzahl von Haftungsansprüchen in Milliardenhöhe“ zur strikten Geheimsache erklärt hatte. Ein rasches Vorgehen ist unwahrscheinlich. Vielleicht aber gibt der Puk-Bericht Einblick in die Geheimnisse, von deren Enthüllung sich einige Investoren einen erheblichen Geldnutzen erhoffen.