EU-Währungsunion

Euro-Beitritt ohne Euphorie

Man muss den Beitritt Kroatiens zur Währungsunion nicht überhöhen. Aber man kann ihn als das werten, was er ist: eine richtige Entscheidung.

Euro-Beitritt ohne Euphorie

Am Dienstag werden Europas Finanzminister Kroatien in die Eurozone winken. Alles andere wäre zumindest eine Überraschung – oder sogar ein Eklat. Und es ist absehbar, dass Vertreter der europäischen Institutionen den Beschluss zum Anlass nehmen werden, Kroatien, den Euro und die Währungsunion über den grünen Klee zu loben – so wie es EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen bereits bei der Vorlage des Konvergenzberichts vor zwei Wochen getan hat. „Unsere Währung ist ein Symbol für Europas Stärke, Einheit und Solidarität.“

Na ja. Vielen Zuhörern werden solche Hohelieder wie Hohn in den Ohren klingen. „Stärke“? Der Euro-Wechselkurs, der noch vor zwölf Monaten oberhalb von 1,20 Dollar notierte, nimmt gerade Kurs auf die Parität – mit allen verbundenen Vorteilen, aber eben auch Nachteilen wie dem wachsenden Risiko importierter Inflation in Zeiten ohnehin hoher Teuerungsraten. „Einheit und Solidarität“? Es ist noch nicht sehr lange her, dass der Euro als Spaltpilz der Europäischen Union galt, als sich die Mitglieder der Eurogruppe bis aufs Blut um Hilfsprogramme und Troika-Vorgaben balgten.

Kurzum: Auch wenn Kroatien Anfang 2023 der erste Euro-Neuling seit langer Zeit – acht Jahre nach Litauen – sein wird, spricht vieles dafür, den Euro-Beitritt nicht zu überschwänglich zu bejubeln – zumal sogar im Land selbst die Vorfreude gedämpft ist. Studien zufolge sind weniger als die Hälfte der Menschen in Istrien und Dalmatien von den Vorteilen beim Übergang von der Kuna zum Euro überzeugt.

Zudem gibt es einige ernst zu nehmende Argumente, die – aus Sicht der Euro-Mitgliedstaaten – nachdenklich machen. So wird Kroatien nach seinem Beitritt der ärmste Staat in Euroland sein. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt unter den Kennziffern in Griechenland und im Baltikum. Mindestens genauso problematisch ist, dass Kroatien zu den EU-Staaten mit der höchsten Zahl von abwandernden jungen Menschen zählt. Ein niedriges Wirtschaftsprodukt oder ein Mangel an jungen Fachkräften stellt zwar nicht zwangsläufig ein Stabilitätsrisiko für Euroland dar. Dass die Währungsunion aber durch die Aufnahme des 20. Mitglieds wirtschaftlich noch inhomogener wird als ohnehin schon, macht die Zusammenarbeit in der Eurogruppe sicher nicht einfacher.

So weit, so schlecht. Andererseits gibt es jede Menge überzeugende Argumente, die für die Aufnahme Kroatiens in die Währungsunion sprechen. Erstens orientiert sich das Land seit langem am Euro. Folglich waren die Ausschläge in den zwei zurückliegenden Jahren im Wechselkursmechanismus nur minimal. Auch hat die Regierung in Zagreb – anders als andere Euro-Kandidaten – alle Hausaufgaben vollständig erledigt, was die Unabhängigkeit der Notenbank angeht. Mit Blick auf die Neuverschuldung beweist das Land Disziplin – vor allem wenn man bedenkt, dass Kroatien als stark fremdenverkehrsabhängige Volkswirtschaft besonders von der Pandemie getroffen wurde. Nicht unbedeutend unter Risikogesichtspunkten dürfte zudem für die künftigen Euro-Partner sein, dass die wirtschaftliche Bedeutung der Kreditbranche kleiner ist als im Euro-Schnitt, was das Risiko böser Überraschungen im Falle einer neuen Bankenkrise mindert.

Unterm Strich ist es daher richtig, Kroatien in den Euro-Verbund aufzunehmen – und zwar noch vor dem Mitbewerber Bulgarien, der noch immer nicht alle Kriterien der Aufnahme erfüllt. Gerade Kroatien wird – vor allem in seiner Rolle als Urlaubsland – erheblich davon profitieren, dass Geld nicht mehr gewechselt werden muss. Zudem haben 20 Jahre Währungsunion bewiesen, dass der Euro – im Guten wie im Schlechten – eine Schicksalsgemeinschaft bedeutet und das Ziel eines gemeinsamen Binnen- und Kapitalmarkts befördert. Gerade in Zeiten geopolitischer Umbrüche, in denen Europa an Bedeutung zu verlieren droht, sind Schritte hin zu einer weiteren wirtschafts- und währungspolitischen Integration daher Ausdruck der gemeinsamen Vergewisserung, dass Europa als einheitlicher Raum krisenresilienter ist als fragmentierte Nationalstaaten. Nur zur Erinnerung: Ende dieses Jahrhunderts könnte Schätzungen zufolge Pakistan die komplette EU bei der Einwohnerzahl überholen. Das vermittelt einen Eindruck von der Notwendigkeit, Waren, Dienstleistungen und Kapital in Europa auf einem gemeinsamen Markt anzubieten, idealerweise in einer einheitlichen Währung – will man international attraktiv bleiben.

Man muss daher den Beitritt Kroatiens zur Währungsunion nicht überhöhen. Aber man kann ihn als das werten, was er ist: eine richtige Entscheidung.

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