BlickfeldFinanzmarktregulierung

Europas nächster bankenpolitischer Zankapfel

In Brüssel kündigen sich hitzige Kontroversen über die Frage an, wie in Zukunft kleine und mittelgroße Banken, die in Schieflage geraten sind, möglichst schonend entsorgt werden.

Europas nächster bankenpolitischer Zankapfel

Europas nächster bankenpolitischer Zankapfel

Parlament und Rat stehen vor hitzigen Kontroversen über die Abwicklung in Schieflage geratener Kleinbanken

Von Detlef Fechtner, Brüssel

In der EU-Finanzmarktregulierung ist eigentlich gerade eine gemächlichere Gangart angesagt, denn es stehen keine Gesetzgebungsbrocken wie Basel oder Mifid an. Ruhig wird es trotzdem nicht. Schließlich haben die EU-Gesetzgeber aktuell ein Dossier in der Mache, das das Zeug zu explosiven Kontroversen hat: das Gesetzespaket über das Krisenmanagement von Banken und die Sicherung von Spareinlagen. Kurz: CMDI.

Im April 2023 hat die EU-Kommission die CMDI vorgelegt – mit dem selbst erklärten Ziel, das Krisenmanagement schwer angeschlagener Kleinbanken zu stärken. Das EU-Parlament hat sich im April dieses Jahres auf eine Position verständigt, der Rat im Juni. Doch beide Standpunkte liegen meilenweit auseinander. „Die Position des EU-Parlaments ist näher am Vorschlag der EU-Kommission als an der allgemeinen Ausrichtung im Rat. Deshalb ist mit schwierigen Verhandlungen im Trilog zu rechnen“, erwartet Jan Tibor Böttcher, Bereichsleiter Politik, Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR). Er beobachtet das Gesetzesverfahren intensiv. Schließlich geht es um Fragen, die für die Kreditgenossen wie auch für Sparkassen und kleinere Privatbanken essenziell sind.

Abwicklung als Standard

„Der Vorschlag der EU-Kommission zielt im Wesentlichen darauf, die Abwicklung zum Standard zu machen, wenn eine Bank – auch eine kleine Bank – in ernsthafte Probleme gerät“, erklärt Böttcher. Das sei eine Abkehr vom Ansatz, den die frühere Chefin der EU-Abwicklungsbehörde, Elke König, mit der Formel beschrieben hat: „Resolution is for the few, not for the many.“ Und zugleich eine Abkehr von der gängigen Praxis, dass für kleinere und mittlere Banken, die in Schwierigkeiten geraten, die Insolvenz der typische Marktaustritt ist, so der BVR-Experte.

Die Absicht, auch kleinere Banken künftig in die Abwicklung zu schicken, bedeutet, dass es einen höheren Finanzbedarf für diese Form der Entsorgung gibt. Darauf haben Vertreter des EU-Abwicklungsrats (Single Resolution Board) ebenso wie EU-Kommissionsbeamte hingewiesen. In diesem Zusammenhang kommen die Mittel, die von den Einlagensicherungssystemen verwaltet werden, ins Spiel.

Zwei Knackpunkte

„Im Trilog werden sich die Ko-Gesetzgeber absehbar vor allem mit zwei Knackpunkten befassen müssen, die bisher noch zwischen ihnen strittig sind“, erläutert Böttcher. Das sei erstens die Frage, unter welchen Bedingungen nationale Einlagensicherungssysteme in Zukunft noch Maßnahmen finanzieren dürfen, die über die reine Entschädigung von Einlegern hinausgehen. Und zweitens, inwieweit Mittel aus nationalen Einlagensicherungssystemen genutzt werden könnten, um die Lücke zu schließen, die sich auftut, falls das bail-in-fähige Kapital einer in Not geratenen Bank nicht ausreicht, um Voraussetzungen für den Zugang zum EU-Abwicklungsfonds (SRF) zu erfüllen.

Auf den Single Resolution Fund kann nämlich erst zugegriffen werden, nachdem Anteilseigner und Inhaber sogenannter berücksichtigungsfähiger Verbindlichkeiten einen Beitrag zum Verlustausgleich und zur Rekapitalisierung des in die Schieflage geratenen Instituts geleistet haben. Dieser Beitrag erfolgt zum Beispiel durch Herabschreibung oder Umwandlung und muss mindestens 8% der gesamten Verbindlichkeiten des betroffenen Instituts ausmachen.


Die nächsten Schritte:

Im Oktober oder November wird mit dem Start des Trilogs gerechnet. Ungarn hat zumindest angekündigt, das Dossier vorantreiben zu wollen.

Die EU-Kommission ist recht unzufrieden, wie weit sich der Rat von ihrem Vorschlag entfernt hat. Rein theoretisch kann sie das Gesetzesverfahren stoppen, aber das ist unwahrscheinlich.

Wahrscheinlich erst nach Abschluss von CMDI werden die Schlussverhandlungen für den Einlagensicherungs-Vorschlag Edis beginnen.


BVR-Fachmann Böttcher weist darauf hin, dass „kleine und mittlere Institute jedoch regelmäßig nicht genügend Anteile und Instrumente emittieren, damit diese Voraussetzung im Krisenfall erfüllt werden könnte“. Unter dem Abwicklungsmechanismus müssten sie folglich mehr berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten emittieren, was jedoch mit hohen Kosten und Aufwand verbunden wäre. Bei fehlendem Zugang zu Kapitalmärkten dürfte dies oft schwierig sein: „In solchen Fällen müsste also das Einlagensicherungssystem einspringen, wenn die 8%-Hürde nicht erreicht wird – ein Problem, das erst entsteht, wenn der Abwicklungsmechanismus auf Institute ausgedehnt wird, für die er nicht geschaffen wurde.“

„Protect the protector“

Damit eng verbunden ist die sogenannte Superpräferenz. In der EU sind seit zehn Jahren alle Einlagen von Sparern und Unternehmen bis 100.000 Euro geschützt. Um dieses Schutzversprechen glaubwürdig zu machen – denn nur dann wirkt es ja dem Risiko von Bank Runs effektiv entgegen –, wurde den Einlagensicherungssystemen, die es letztlich erfüllen müssen, eine Superpräferenz in der Gläubigerhierarchie im Insolvenzverfahren eingeräumt – im Sinne von „protect the protector“. Und tatsächlich sind der Einlagensicherung bislang in Krisenfällen so gut wie keine Verluste entstanden.

CMDI sieht eine Abschaffung der Superpräferenz vor – und damit eine Gleichstellung sämtlicher Einlagen. Das hätte zur Folge, dass die Entschädigung für die Einlagensicherung und damit für die Banken teurer würde. Damit wiederum werde der „Least-Cost Test“, ob eine Insolvenz oder eine Abwicklung kostengünstiger ist, künftig häufiger pro Abwicklung ausfallen. Auch deshalb spreche sich der BVR, übrigens wie die anderen Verbände der deutschen Kreditwirtschaft, gegen eine Abschaffung der Superpräferenz aus. „Wir begrüßen, dass der Rat eine Abschaffung der Superpräferenz ablehnt“, betont der BVR-Experte.

Gleichzeitig entscheidet CMDI maßgeblich darüber, inwieweit künftig noch national präventive Maßnahmen genutzt werden können. „Der Vorschlag der EU-Kommission macht es quasi unmöglich, Mittel der Einlagensicherung national für präventive Maßnahmen einzusetzen“, moniert Böttcher. Denn eine solche Nutzung werde zum Beispiel an die Bedingung gekoppelt, dass ins Wanken geratene Banken einen detaillierten Business-Plan vorlegen müssen, um Hilfe in Anspruch nehmen zu können – das sei bei einer zeitkritischen Schieflage „weltfremd“.

Rat versus EU-Kommission

Und schließlich geht es um die Institutssicherung. Bislang ist es so, dass Verbünde, die eine Institutssicherung unterhalten, diese auch als Einlagensicherungssystem anerkennen lassen können. Das heißt: Sie müssen die europaweit vorgegebenen 0,8% der gedeckten Einlagen vorhalten, um sie gegebenenfalls als Entschädigung für Einleger einsetzen zu können. Aber sie dürfen diese Mittel auch für andere Maßnahmen verwenden, etwa für die Übertragung von Einlagen. „Die EU-Kommission möchte nun, dass Institutssicherungssysteme für ihre Maßnahmen zusätzliche Finanzmittel ansparen“, berichtet der BVR-Vertreter. Der Rat habe sich gegen den Ansatz der EU-Kommission ausgesprochen und wolle die Institutssicherung in bisheriger Form erhalten. Einer der Gründe, warum viele in der deutschen Kreditwirtschaft hoffen, dass sich der Rat im Trilog mit seinen Positionen durchsetzt.

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