US-Bondinvestoren müssen sich vor fehlgeleitetem Optimismus hüten
US-Bondmarkt
Fehlgeleiteter Optimismus
Trotz Zinssenkungen steuert der US-Bondmarkt auf mehr Volatilität zu, als Anleihemanager
glauben machen.
Von Alex Wehnert
In Finanzkreisen macht sich ein unvernünftiger Optimismus breit, der schon bald gefährliche Folgen entfalten könnte. Egal, wie die nahen US-Präsidentschaftswahlen ausgehen, die geldpolitische Lockerung der Federal Reserve wird es im Zusammenspiel mit aufgehellten Konjunkturaussichten schon richten, so das gern bemühte Narrativ von Vermögensverwaltern und Anleihemanagern, die jedes Motiv besitzen, Anlegern die Zukunft in rosigen Farben auszumalen. Dass Wahlen kurze Beine haben, mag mit Blick auf die Märkte historisch eine korrekte Aussage sein – aktuell sollte sie aber nicht dazu angetan sein, die Zuversicht der Investoren zu erhöhen.
Massiver Finanzierungsbedarf des Staates
Denn tatsächlich finden sich nicht nur im zu Recht als ökonomisch widersinnig gescholtenen Wahlprogramm Donald Trumps klare Signale dafür, dass sich der langfristige Trend zu einer rücksichtslosen Ausweitung des US-Haushaltsdefizits fortsetzen wird. Nach Berechnungen der Non-Profit-Gruppe Committee for a Responsible Federal Budget dürften die Ausgaben- und Steuerpläne seiner demokratischen Widersacherin Kamala Harris die Staatsverschuldung bis 2035 um 3,5 Bill. Dollar ausweiten. Dass die amtierende Vizepräsidentin damit aus fiskalischer Sicht noch das kleinere Übel darstellen würde als ihr Kontrahent, kann kaum beruhigen. Denn auch unter ihr dürften umfangreiche Steuergutschriften Bestand haben, während eine Fortschreibung der Infrastrukturausgaben aus der Präsidentschaft Joe Bidens ebenfalls massiven Finanzierungsbedarf nach sich ziehen wird.
Die fiskalisch wenig nachhaltigen Kurse beider Kandidaten werden die Investoren am US-Staatsanleihemarkt ausbaden müssen, dessen Status als sicherer Hafen unter zahlreichen Haushalts- und Schuldenstreitigkeiten im Kongress ohnehin erheblich gelitten hat. Jedenfalls wachsen die Zweifel daran, dass die Fed-Lockerungen allein dem Bondmarkt unter die Arme greifen werden, bei einigen Marktteilnehmern beträchtlich: Die Rendite zehnjähriger Treasuries lag am Dienstagnachmittag bei 4,18% und damit deutlich über dem Niveau von 3,62%, das sie kurz vor der Zinssenkung am 18. September erreicht hatte.
Spreads im Ramschbereich sinken
Im Unternehmensanleihemarkt, in dem Sorgen bezüglich des Haushaltsdefizits hinter kurzfristigem Konjunkturoptimismus zurücktreten, zeigen sich die Investoren indes weitaus überschwänglicher. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die spekulativsten Assets: Der ICE BofA Index, der den optionsbereinigten Spread von US-Hochzinsanleihen gegenüber Treasuries abbildet, ist zuletzt auf 2,88% gefallen, nachdem er Anfang August noch bei nahezu 4% lag. Unternehmen mit Junk-Rating nutzen dies nun aus: Laut dem Analysedienst Pitchbook haben diese Gesellschaften allein im September Anleihen und Kredite im Volumen von rund 110 Mrd. Dollar auf den Markt geworfen, dies bedeutet den dritthöchsten Monatswert in der bis 2005 zurückreichenden Datenbank.
Die „Wall of Worry“ am US-Bondmarkt hat sich damit verschoben: Belief sich das Volumen der 2025 fällig werdenden US-Hochzinsanleihen im Morningstar US High Yield Bond Index und dem Morningstar LSTA Leveraged Loan Index im Jahr 2022 noch auf 347 Mrd. Dollar, sind es infolge der günstigeren Refinanzierungsmöglichkeiten aktuell nur noch 65 Mrd. Dollar. Doch nicht nur, dass die Welle dann einfach ab 2028 über die Märkte hereinbrechen dürfte – die Zinsniveaus, zu denen Unternehmen nun Anleihen an den Markt bringen, mögen relativ zu 2023 attraktiver ausfallen, niedrig sind sie damit aber noch lange nicht.
Gefahr in längeren Laufzeiten
Die durchschnittliche Rendite auf die ausstehende Verschuldung von US-Firmen dürfte damit noch für eine ganze Weile klettern, was den Ausblick für Ramsch-Emittenten nicht eben aufhellt. Dass stärkere Konjunkturdaten auch den Junk-Bond-Markt stützen, ist dabei zwar grundsätzlich richtig. Doch die Hoffnung auf eine weiche Landung dürfte nach monatelangen Vorgesängen populärer Ökonomen größtenteils schon eingepreist sein. Damit steuert nicht nur der Unternehmensanleihe-, sondern der gesamte amerikanische Bondmarkt auf eine höhere Volatilität zu, als viele Berufsoptimisten derzeit glauben mögen. Insbesondere Investoren in längeren Laufzeiten blühen damit noch erhebliche Risiken.