Siemens

Finanztochter schlägt sich besser als manche Bank

Siemens hat nach wie vor einen eigene Finanzierungsgesellschaft. Diese hat zuletzt mit ihrer Performance überrascht.

Finanztochter schlägt sich besser als manche Bank

Von Michael Flämig, München

Braucht Siemens weiterhin eine eigene Finanzierungsgesellschaft? Nach der Abspaltung des Großprojektgeschäfts Siemens Energy und dem Ergebniseinbruch infolge der Corona-Pandemie hat der Kapitalmarkt dies wiederholt angezweifelt. Siemens Financial Services (SFS) könne abgespalten werden, argumentierte beispielsweise die Analyseabteilung von Jefferies.

Derlei Überlegungen hat der Konzern auf dem Kapitalmarkttag in der vergangenen Woche eine klare Absage erteilt. Der Finanzierungsarm spiele eine wachsende Rolle als integrierende Einheit im Siemens-Ökosystem, betonte Finanzvorstand Ralf Thomas. SFS sei ein Juwel, ergänzte er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Dies habe sich zuletzt in der Krise gezeigt, denn die Tochter habe die reinen Finanzdienstleister im Markt outperformt: „Es ist mehr als eine Sprechblase, dass das Risiko von Geschäften wegen des Marktzugangs zum Industriesektor viel besser eingeschätzt werden kann.“

Tatsächlich kann sich die Marge sehen lassen, welche die 2800 Beschäftigten unter dem seit 2010 amtierenden Chef Roland Chalons-Browne erwirtschaften. Die Eigenkapitalrendite nach Steuern erreichte im Schnitt der drei Geschäftsjahre 2016/2017 bis 2018/2019 fast 20%. Viele Banken würden derlei Verzinsungen des Kapitals mit Handkuss nehmen. Höhere Kreditvorsorge und ein gesunkenes Ergebnis im Beteiligungsgeschäft drückten zwar die Rendite im vergangenen Geschäftsjahr auf 11,7% – doch ist dies im Quervergleich ein ebenfalls glänzender Wert, weil er inmitten der Pandemie­ erzielt wurde. Im ersten Halbjahr 2020/2021 wurden wieder 17,0% erreicht (siehe Grafik).

In Konkurrenz zu Banken

Thomas identifiziert vier Erfolgsfaktoren. Erstens sei SFS näher am Siemens-Geschäft als die Banken, zweitens sei das Team sehr erfahren mit einer hohen Betriebszugehörigkeit – die Hälfte mehr als sieben Jahre –, drittens profitiere SFS von einer Diversifizierung, und viertens habe es eine Nachhaltigkeitsorientierung.

Welche Kompetenz und Wettbewerbsstärke Siemens im eigenen Haus bündelt, führte SFS der Finanzbranche bei der teuersten Akquisition der Siemens-Geschichte vor. Die optimale Positionierung von Anleihen im Volumen von 10 Mrd. Dollar orchestrierte der Konzern abschnittweise selbst. „Ein Teil der Wertschöpfungskette, die normalerweise bei den Banken stattfindet, ist von uns übernommen worden“, erklärte Thomas der Börsen-Zeitung.

Dabei gehe es beispielsweise um die Absicherung gegen Währungsschwankungen: „Wir haben mit innovativem Vorgehen wie algorithmenbasierter Vorgehensweise, Hedging-Instrumenten sowie mit dem Absicherungsinstrument Deal Contingent Forward als maßgeschneidertes Produkt eine an den Markt angepasste Sicherungsstrategie entwickelt, umgesetzt und den Markt optimal getroffen – sonst könnten wir das nicht so finanzieren.“

Anpassungsbedarf sieht der Siemens-Finanzvorstand dennoch. Auf dem Kapitalmarkttag senkte der Konzern für SFS die Profitabilitätsziele, während die operativen Sparten des Kerngeschäfts gleichbleibende oder höhere Vorgaben erhielten. Dies sei eine Konsequenz der Abspaltung von Siemens Energy, erläuterte Thomas. Man nehme Risiko aus dem SFS-Geschäftsprofil, um es stärker an das jetzige Kerngeschäft anzupassen – damit schwinden naturgemäß auch Ertragschancen. Siemens erhöhe zudem die Transparenz bei ihrem Finanzarm, indem der Konzern beispielsweise den Debt-Equity-Split explizit angebe, erklärte Thomas der Börsen-Zeitung.

Außerdem zeige der Konzern das Exposure nach Regionen und Branchen. Das Ziel: „Wir wollen SFS demystifizieren.“ Thomas erklärte, er habe persönlich dazugelernt, als SFS im Prozess der Abspaltung von Siemens Energy mehr Aufmerksamkeit erhalten habe als in vielen Jahren zuvor: „Das Beste, was man tun kann, ist Transparenz zu schaffen.“

Der Risikoabbau lässt sich in den auf dem Kapitalmarkttag veröffentlichten zusätzlichen Zahlen bereits ablesen. Die Eigenkapitalfinanzierung hat Siemens von 1,8 Mrd. Euro Ende September auf 1,5 Mrd. Euro sechs Monate später reduziert. Die Fremdkapitalfinanzierung legte derweil leicht von 27 Mrd. Euro auf 27,3Mrd. Euro zu. SFS hatte aus strategischen Gründen das Geschäftsvolumen im vergangenen Jahrzehnt auf rund 30 Mrd. Euro mehr als verdoppelt – an dieser Größenordnung hält der Konzern fest. Denn dies wird als Volumen gesehen, das eine Diversifikation nach Geografie und Kunden erlaubt.

Die laterale Diversifikation des Portfolios sichere zusätzlich ab, betont denn auch Thomas im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Die Hälfte des Portfolios liege in den USA (39%) und Großbritannien (12%), weitere 15% lägen in Zentraleuropa – dies seien Länder mit gutem Rating: „Dann kann man sich auch einige mutige Finanzierungen leisten.“ Deutschland erreicht einen Anteil von 6% per Ende März.

In der Branchenbetrachtung hat die Energieerzeugung ein großes Gewicht: Erneuerbare Energie kommt auf 17% des Portfolios, die konventionelle Variante auf 8% und die Stromübertragung auf 6%. Medizintechnik vereint 14%, Service und Automatisierung jeweils 11% sowie Transporttechnik 8%.