Firmen lassen die Tür nach Russland einen Spalt breit offen
Von Eduard Steiner, zzt. Wien
Nun also auch McDonald’s. Der amerikanische Betreiber von Schnellrestaurants, der aus Protest gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine kürzlich seinen Rückzug aus Russland bekannt gegeben hatte, schlägt die Tür hinter sich nun doch nicht ganz zu. Wie aus den Dokumenten der russischen Antimonopolbehörde FAS hervorgeht, die den Verkauf der über 800 Restaurants im Land an den russischen Geschäftsmann Alexandr Gowor dieser Tage gebilligt hat, haben sich die Amerikaner ein Rückkehrrecht ausbedungen. Konkret wurde eine Rückkaufoption zu Marktbedingungen für die Dauer von 15 Jahren ausverhandelt. Die Markenrechte der Amerikaner darf Gowor, ein langjähriger Partner von McDonald’s, bis auf Weiteres zwar nicht nutzen, aber mit neuer Marke führt er die Kette bereits weiter. Geschmacklich wird sich kaum etwas ändern, ist doch der Großteil der Produktionsprozesse in Russland lokalisiert.
Eine Rückkaufoption scheint derzeit das Standardprozedere bei westlichen Unternehmen zu sein, die ihr russisches Geschäft aus Protest gegen den Ukraine-Krieg freiwillig oder aufgrund des Drucks der Öffentlichkeit bzw. der Aktionäre abstoßen, wofür sie häufig die Form eines Management Buy-out wählen. Weil aber ein Rückkaufrecht in der aktuellen aufgeheizten Situation innerhalb der westlichen Gesellschaften nicht gut ankommt, wird es tunlichst nicht hervorgekehrt. Es ist eher die russische Seite, die diese Klauseln in die Öffentlichkeit durchsickern lässt.
So geschehen bei Renault. Bereits Ende April berichtete die russische Nachrichtenagentur Interfax mit Verweis auf Handelsminister Denis Manturow nicht nur, dass der französische Autobauer seinen Anteil von 68% am russischen Autohersteller Avtovaz für einen symbolischen Preis von einem Rubel an ein einheimisches Wissenschaftsinstitut verkauft. Manturow ließ auch wissen, dass Renault ein Rückkaufrecht von sechs Jahren ausverhandelt habe.
„Ich kenne kein Unternehmen, das sein Russlandgeschäft derzeit ohne Rückkaufoption verkauft“, sagt ein westlicher Unternehmensberater in Russland, der nicht namentlich genannt werden möchte, der Börsen-Zeitung. „Der Zeitraum für die Rückkaufoption liegt so zwischen fünf und 20 Jahren. Aber ich habe auch schon von unlimitierten Optionen gehört.“ Rein rechtlich gibt es von russischer Seite ohnehin kein Limit. Allerdings müssen beim Wiederverkauf an den Vorbesitzer nach russischem Recht auch die Familienmitglieder des neuen Besitzers einverstanden sein. „Wer sich also eine Rückkaufoption sichert, ist gut beraten, sich diese Zustimmung jetzt schon einzuholen“, so der Unternehmensberater.
Ohnehin bleibt die Frage, ob die Rückkaufoption letztlich das Papier wert ist, auf dem sie geschrieben steht. „Es wird erst die Erfahrung zeigen, ob das auch wirklich funktioniert“, sagt Roland Götz, Experte für russische Wirtschaft an der Freien Universität Berlin: „Für die Russen ist es ja nach dem jetzigen Imageverlust auch recht gefahrlos, die Option nicht einzuhalten. Und wer bestimmt dann überhaupt den Preis?“
Handelsminister Manturow hat angesichts der Rückkaufoption von Renault schon Ende April erklärt, dass natürlich Investitionen, die in der Zwischenzeit getätigt würden, in den Preis einfließen würden: „Dort wird es keine Geschenke geben“, wurde er von Interfax zitiert.
Dass die Russen harte Verhandler sein und die Notsituation maximal für sich nützen können, wissen die westlichen Unternehmen. Im April etwa hatte der zweitreichste Russe, Wladimir Potanin, die Rosbank, Russland-Tochter der französischen Société Générale (SocGen) und elftgrößte Bank des Landes, übernommen. Potanin selbst hatte die Bank vor Jahren für ein Vielfaches an SocGen verkauft.
Viele der ausländischen Unternehmen, die Russland nun verlassen haben, würden ihre Entscheidung noch bereuen, sagte dieser Tage Kreml-Chef Wladimir Putin: „Sie werden es bereuen, aber nicht weil wir jemandem drohen, wir drohen niemandem. Sie werden es bereuen, weil Russland ein Land mit riesigen Möglichkeiten ist.“
Langfristig sind diesbezüglich auch die westlichen Firmen optimistisch, wie eine Umfrage der Association of European Businesses (AEB) in Moskau unter ihren Mitgliedern ergab. Für die nächsten zwei Jahre jedoch rechnen 76% damit, dass sich die Aussichten weiter eintrüben. 70% der Befragten wollen ihre Investitionen reduzieren.
Wie unterschiedlich ausländische Unternehmen in Russland auf den Ukraine-Krieg reagieren, sofern sie nicht ohnehin aufgrund von Sanktionen zum Rückzug gezwungen werden, hat die Yale School of Management in ihrer Monitoring-Liste dargestellt, die sich ein wenig wie ein öffentlicher Pranger ausnimmt. Von über 1200 untersuchten Unternehmen setzen 246 ihr Geschäft einfach fort. Von den restlichen, die öffentlich eine Reduzierung des Geschäfts angekündigt haben, würden 325 einen Totalrückzug vornehmen, so die Analysten. 475 würden das Geschäft temporär entweder ganz oder weitgehend aussetzen, wobei sie sich eine Rückkehr nach Russland offenhalten (siehe Grafik). Dass sich diejenigen, die wie McDonald’s ihr Russland-Geschäft verkaufen und auch damit ihre Reputation pflegen, eine Rückkaufoption sichern, dazu findet sich in der Untersuchung nichts.