KommentarMisstrauensanträge in Frankreich

Frankreichs fatales Signal

Die Regierungskrise in Frankreich und die nach dem Misstrauensantrag drohende Unsicherheit schwächen auch Europa.

Frankreichs fatales Signal

Regierungskrise

Frankreichs
fatales Signal

Politische Machtspiele stürzen das Land in eine Staats- und Schulden-krise – und erschüttern das Vertrauen in die Demokratie insgesamt.

Von Gesche Wüpper

Frankreich und Europa erwarten Monate politischer und wirtschaftlicher Unsicherheit. Das Risiko, dass die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone schon bald erneut ohne Regierung und Haushaltsgesetz dasteht, hat sich dramatisch erhöht, seit die linke Volksfront Nouveau Front Populaire (NFP) und der rechtsextreme Rassemblement National (RN) am Montag zwei Misstrauensanträge gestellt haben. Die Zeit für die Minderheitsregierung von Premierminister Michel Barnier scheint abgelaufen. Im Grunde genommen stand das aber bereits seit langem fest, auch wenn sich der eine oder andere Beobachter noch der Illusion hingegeben hatte, dass sich in Frankreich doch noch eine Kompromiss- und Koalitionskultur entwickeln könnte.

Umso ernüchternder fällt jetzt die Erkenntnis aus, dass weder langfristige Überlegungen noch das Allgemeinwohl eine Rolle in dem sich nun darbietenden Drama spielen. Für die Protagonisten scheinen nur kurzfristige Erfolge zu zählen. Es ficht sie offenbar nicht an, dass Frankreich und Europa angesichts des sich verdüsternden wirtschaftlichen Umfeldes, größerer internationaler Spannungen und einer geschwächten EU gerade Stabilität dringend nötig hätten. Zudem sollten eigentlich auch die Präsidentschaftskandidaten, die jetzt nicht nur Barnier, sondern auch Macron zu Fall bringen wollen, ein großes Eigeninteresse daran haben, dass die Staatsfinanzen in Ordnung gebracht werden. Stattdessen wird der Haushaltsentwurf torpediert. Ohne ernsthafte Defizitbekämpfung aber droht die mit 112% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) ohnehin hohe Staatsverschuldung durch die Decke zu gehen. Das untergräbt nicht nur die Glaubwürdigkeit Frankreichs, sondern auch die der EU. Deren Position wird geschwächt, wenn sich die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone nicht um Regeln schert.

Die Regierungskrise zeigt, dass sich Emmanuel Macron komplett verkalkuliert hat, als er im Juni überraschend Neuwahlen angesetzt hatte. Statt Klarheit zu schaffen, hat er die Büchse der Pandora geöffnet. Die drei ungefähr gleich großen Blöcke, die daraus hervorgegangen sind, haben sich als unfähig erwiesen, Kompromisse einzugehen. Vor Juli können verfassungsrechtlich keine neuen Parlamentswahlen stattfinden, sodass bis dahin keine stabile Regierung möglich sein wird. Das Signal ist fatal, denn die daraus resultierende Unsicherheit erschüttert das in Zeiten zunehmender Radikalisierungen so dringend benötigte Vertrauen in die Demokratie.

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