Elektromobilität

Frischer Schwung für mehr Stromtankstellen

Politik und Unternehmen erhöhen das Tempo für den Ausbau der Ladeinfrastruktur in Deutschland. Das ist angesichts stark steigender Zulassungen von Elektroautos auch notwendig.

Frischer Schwung für mehr Stromtankstellen

Von Joachim Herr, München

In den Ausbau der Ladeinfrastruktur kommt mehr Bewegung. Die stark steigende Zahl der Elektroautos auf deutschen Straßen – wenn auch auf einem nach wie vor relativ niedrigen Niveau – bringt frischen Schwung. Der wird auch gebraucht, denn im Netz der Stromtankstellen gibt es noch große Lücken. Politik und Unternehmen kündigten in diesen Tagen neue Initiativen und zusätzlichen Investitionen an. Am Dienstag in dieser Woche versprach der Energieversorger EnBW, die Anzahl seiner Ladepunkte in diesem Jahr auf etwa 2700 zu verdreifachen.

Nach eigener Aussage betreibt die EnBW hierzulande das größte Schnellladenetz für Elektromobilität. Die Zahl dieser Standorte an Autobahnen und in Städten soll sich in diesem Jahr auf etwa 1000 verdoppeln. Ziel bis zum Jahr 2025 sind 2500. „Im Durchschnitt kommt pro Tag ein neuer Schnellladestandort hinzu“, sagt ein Sprecher des Unternehmens.

Ein Vorzeigeprojekt der EnBW ist eine Station am Kamener Kreuz in Nordrhein-Westfalen. Am Schnittpunkt der A1 und A2 soll es von diesem Herbst an 52 Schnellladepunkte geben. Der bisher größte Standort ist in Stuttgart mit zwölf Ladepunkten. Die EnBW plant, in den nächsten Jahren jeweils 100 Mill. Euro in die Elektromobilität zu investieren. „Wir treiben wie kein anderes Unternehmen den Ausbau der Schnellladeinfrastruktur in Deutschland voran“, behauptet Timo Sillober, Vertriebsvorstand der EnBW.

Mit den Investitionen begründet das Unternehmen höhere Preise, die vom 6. Juli an gültig sind. Je Kilowattstunde steigen sie im Durchschnitt um 7,7 Cent. Im Standardtarif kostet dann Wechselstrom (AC) an einer EnBW-Ladesäule 45 Cent je Kilowattstunde und Gleichstrom (DC) fürs schnelle Laden 55 Cent. Bis sich die Investitionen eines Standortes amortisierten, dauere es zehn bis 15 Jahre, sagt der Sprecher. In der Mitte dieses Jahrzehnt will die EnBW in diesem Geschäft die Gewinnzone erreichen.

Nur wenige Minuten entfernt

Der Bundestag verabschiedete in der vergangenen Woche ein Gesetz für eine flächendeckende Schnellladeinfrastruktur (vgl. BZ vom 22. Mai): Bis zum Ende des übernächsten Jahres sollen rund 1000 Stromtankstellen hinzukommen, nicht nur an Autobahnen, sondern auch an etwas abgelegenen Standorten. Bau und Betrieb dieser Stationen sollen in diesem Jahr ausgeschrieben werden. Der Bund plant dafür rund 2 Mrd. Euro ein.

„Die nächste Schnellladesäule muss in wenigen Minuten erreichbar sein“, sagt Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). „Gerade das schnelle Laden mit über 150 Kilowatt ist für eine uneingeschränkte Reichweite von E-Autos entscheidend.“ Mit dieser Gleichstromtechnik dauert das Laden nicht mehrere Stunden wie an normalen Säulen, sondern nur eine längere Kaffeepause. Reinhard Zirpel, der Präsident des Verbands der Internationalen Kraftfahrzeughersteller, glaubt, dass die „Reichweitenangst“ der Fahrer gebannt sein wird, wenn längere Touren problemlos möglich sein werden.

Derzeit gibt es nach Informationen des Ministeriums hierzulande rund 800 Ladepunkte mit einer Leistung von mehr als 150 Kilowatt. Das sind rund 2% der 41751 öffentlich zugänglichen Ladepunkte, die die Bundesnetzagentur zum Stichtag 1. April gezählt hat. Die Zahl der Ladepunkte und -stationen steigt allerdings nicht so stark wie der Bestand der batteriegetriebenen Elektrofahrzeuge (siehe Grafik): Damit ist die Relation ungünstiger geworden. So moniert Hildegard Müller, die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA): „Während pro Monat knapp 60000 E-Pkw in Deutschland neu zugelassen werden, wächst die Anzahl der öffentlich zugänglichen Ladepunkte nur um knapp 1000 pro Monat.“ Das reiche nicht. Gebraucht würden rund 2000 neue in der Woche plus zusätzliche Ladepunkte im Privaten, am Arbeitsplatz und im Handel.

Aktuell müssen sich in Deutschland nach Angaben des VDA 17 Elek­troautos einen öffentlich zugänglichen Ladepunkt teilen. Das liegt deutlich über dem von der Europäischen Union empfohlenen Maximalwert von 10. Regional gibt es zum Teil deutliche Unterschiede: In Köln kommen 25 E-Fahrzeuge auf einen Ladepunkt, in Frankfurt am Main sogar knapp 32. Besser ist das Verhältnis in Hamburg mit etwa 12 zu 1 und in Berlin und München mit jeweils rund 14 zu 1. Abseits der größten Städte sind die Relationen zum Teil erheblich günstiger: An erster Stelle steht die Stadt Salzgitter mit 3,2 E-Pkw je Ladepunkt.

Bedarf in der ganzen EU

In der gesamten EU würden bis zum Jahr 2030 rund 2,2 Millionen öffentliche Ladepunkte benötigt, sagt Georg Griesemann, der Co-Vorstandsvorsitzende des Ladesäulenherstellers Compleo in Dortmund. Im vergangenen Jahr seien es erst 175000 gewesen. Das seit dem vergangenen Herbst börsennotierte Unternehmen erhofft sich von dem vorhergesagten Bedarf ein wachsendes Geschäft. Vor kurzem berichtete Griesemann, Compleo habe im ersten Quartal dieses Jahres weiter investiert, indem neue Märkte erschlossen und die Kapazitäten erheblich erweitert worden seien. Auch das ist ein Anzeichen dafür, dass die Elektromobilität Tempo aufnimmt.