Deutsche Bank

Große und kleine Ziele

In zwei Jahren Konzernumbau hat die Deutsche Bank manches Ziel relativiert oder kassiert. Die Vorgabe für 2022, 8 Prozent Rendite, muss sie aber erfüllen.

Große und kleine Ziele

Also gut. Mal abgesehen von der Medizin, den sanitären Einrichtungen, dem Schulwesen, Wein, der öffentlichen Ordnung, der Bewässerung, Straßen, der Wasseraufbereitung und der allgemeinen Krankenkassen, was, frage ich euch, haben die Römer je für uns getan?“ – „Den Frieden gebracht.“ –„Ach, Frieden? Halt die Klappe!“ Der Anführer der Volksfront von Judäa im Film „Das Leben des Brian“ der Komikertruppe Monty Python hat definitiv nicht zu hören be­kommen, was er wollte, als er seine Gefolgsleute rhetorisch nach den Verdiensten der Besatzer gefragt hat und diese prompt eine Errungenschaft nach der anderen aufgezählt haben.

Viel fehlt nicht mehr, und mit der Frage, welches ihrer Strategieziele für 2022 die Deutsche Bank denn je vorzeitig kassiert habe, ließe sich eine ähnliche Antwort provozieren. Also gut, mal abgesehen vom Kostenziel von 16,7 Mrd. Euro, von dem die Bank Ende Juli Abstand genommen hat, der Vorgabe einer Verschuldungsquote von 5%… Weitere Ziele, die das Haus per 2022 zu verfehlen droht, zeichnen sich bereits ab, vom Abbau von 18000 Vollzeitstellen, den die Bank erst rund zur Hälfte bewältigt hat, bis hin zur materiellen Eigenkapitalrendite in der Unternehmensbank sowie in der Privatkundenbank, die eigentlich bis 2022 gegenüber 2018 von 9% auf mehr als 15% bzw. von 5% auf über 12% anziehen sollte. Inzwischen hat die Bank diese Ziele bereits auf 11 bis 12% bzw. auf 8 bis 9% reduziert. Ende Juni lagen die Sparten bei 6,4% bzw. 2,6%.

Es mag wohlfeil sein, sich im Nachhinein über Ziele zu mokieren, welche die Bank vor der Coronakrise in einem anderen Marktumfeld abgegeben hat. Es mag auch dem Konsens zuwiderlaufen. Denn das Gros der Marktbeobachter zeigt sich angetan von den Fortschritten des Umbaus; dies lässt den Schluss zu, dass die Führungsriege um Christian Sewing bei allen Abweichungen, nicht zuletzt mit beträchtlichem Rückenwind durch öffentliche Stimuli in der Pandemie sowie ein florierendes Kapitalmarktgeschäft, weitaus mehr Erfolg hat, als dies vor gut zwei Jahren noch für möglich gehalten wurde. Es ist gleichwohl relevant, beschäftigt sich die Bank in diesen Tagen doch bereits mit der Strategie, die sie nach 2022 verfolgen will. Als Themen gleich der kommenden zehn Jahre hat der Konzernchef in diesen Tagen, neben dem Bedarf an Risikoberatung angesichts zu­nehmender geopolitischer Spannungen, mit Nachhaltigkeit sowie Wachstum in Asien zwei Themen in den Fokus gerückt, die gewiss nicht falsch, aber entweder ein No-Brainer oder keineswegs neu sind. „Asien, Asien, Asien“, antwortete Transaktionsbankchef Werner Steinmüller der Börsen-Zeitung schon vor sechs Jahren auf die Frage, wo denn künftig Wachstum herkommen solle, wenn die Zinsen immer weiter sänken.

Bedeutung für die Zukunft der Bank hat aber sehr wohl auch die Unternehmensbank, jene Sparte, die stets gemeint war, wenn es wie oft in den vergangenen Jahren hieß, die Bank kehre zu ihren Wurzeln als Finanziererin deutscher und europäischer Unternehmen zurück, in welcher freilich auch im dritten Jahr des Umbaus die Ertragswende auf sich warten lässt. Wie ein Mühlstein am Hals hängt ihr, vom Zinstief einmal abgesehen, der Einsatz von Kontrolleuren der deutschen Finanzaufsicht sowie der US-Notenbank, die Compliance-Mängel auf den Plan riefen und deren Präsenz die Bank noch mindestens bis 2025 spüren dürfte. Was Wunder, wenn mancherorts im Institut, gerade in den USA, nun lieber zweimal hin und her überlegt wird, bevor man Neukunden an Land zieht. Gehen wie auf Eiern ist angesagt anstelle der von Sewing gleich nach Amtsantritt 2018 eingeforderten „Jägermentalität“.

Mit Blick auf die Strategie per Ende 2022 hat die Bank ihre Kommunikation inzwischen wohlweislich auf das Ziel von konzernweit „mehr als 8%“ materieller Eigenkapitalrendite verengt. Zu Recht sieht sie darin den zentralen Hebel, den bei 40% des Buchwerts dümpelnden Börsenwert der Bank auf ein Niveau zu hieven, auf dem sie Fusionsszenarien beeinflussen kann. Angesichts seines Erwartungsmanagements wird das Management sein großes Renditeziel ohnehin nicht mehr wegmoderieren können, ohne an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Wenn Finanzvorstand James von Moltke für 2021 nun also unversehens zusätzliche Kosten von rund 700 Mill. Euro angekündigt hat, könnte dies ein Versuch sein, Kosten vorzuziehen, um 2022 leichter eine Verzinsung von 8% zu erreichen. Anleger dürfen daher nicht nur auf den kommenden Strategieplan gespannt sein, sondern zunächst auch darauf, wie es der Konzern im kommenden Jahr mit seinen Investitionen halten wird.

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