Gute Konjunktur ist kein Selbstläufer
Spanien
Konjunktur ist
kein Selbstläufer
Von Thilo Schäfer
Die meisten europäischen Amtskollegen dürften Spaniens Ministerpräsidenten Pedro Sánchez um die wirtschaftliche Lage im Land beneiden, jedoch weniger um die politischen Verhältnisse. Der Konjunkturmotor brummt, mit Wachstumsraten von über 3%. Im letzten Jahr erreichte die Beschäftigung einen neuen Rekord von 21,86 Millionen Erwerbstätigen. Die Linksregierung hat einiges richtig gemacht, doch die treibenden Faktoren sind der Boom in der so wichtigen Tourismusbranche und auch die Milliardengelder aus den EU-Fonds. Die Arbeitgeber warnen jedoch, dass die robuste Konjunktur kein Selbstläufer sei. In der Tat schwächt sich das Wachstum in diesem Jahr ab, wenn auch auf hohem Niveau.
Minderheitsregierung für wesentliche Reformen zu schwach
Es sind also strukturelle Reformen gefragt, die Spaniens niedrige Produktivität anheben könnten. Doch dafür fehlt der linken Minderheitsregierung von Sánchez die Mehrheit im Parlament. Diese Schwäche wurde gerade erneut deutlich. Umfangreiche Sozialmaßnahmen wie die Rentenerhöhung scheiterten zunächst, weil die katalanischen Separatisten von Junts nicht mit der Regierung, sondern mit den rechten Oppositionsparteien stimmten. Mit großen Zugeständnissen konnte Sánchez am Dienstag die Partei von Separatistenführer Carles Puigdemont umstimmen. Junts mit seinen sieben Abgeordneten in Madrid triezt den Regierungschef seit langer Zeit, ohne ihm jedoch den Todesstoß geben zu wollen.
Für jede Reform muss der Sozialist ein breites Bündnis schmieden, von Parteien am linken Rand, die auf mehr Sozialausgaben und Steuererhöhungen für Großunternehmen bestehen, bis zu konservativen Nationalisten, welche etwa gegen die Sondersteuer für Banken und Stromversorger sind. Sánchez hat bislang ein beachtliches Verhandlungsgeschick bewiesen. Doch für den großen Wurf bei den wichtigen Reformen, vor allem des Renten- und Steuersystems oder der Länderfinanzen, wird es bei dieser Konstellation einer linken Koalition, die auf mindestens vier weitere Parteien angewiesen ist, nicht reichen. Dabei wäre angesichts der Wirtschaftslage gerade jetzt der ideale Zeitpunkt dafür.