Im BlickfeldGreen Transition Bonds

GX-Bonds als Turbo für Japans Klimawende

Die weltweite Premiere von staatlichen „Übergangsanleihen“ in Japan im Februar 2024 weckt auch Anlegersorgen bezüglich "Transition-Washing“, solange die Ziele des Projektes nicht klar definiert sind.

GX-Bonds als Turbo für Japans Klimawende

GX-Bonds als Turbo für Japans Klimawende

Die weltweite Premiere von staatlichen Transition Bonds weckt Anlegersorgen bezüglich Greenwashing, solange die Projektziele unklar bleiben

Von Martin Fritz, Tokio

Längst nutzen japanische Unternehmen „grüne Übergangsanleihen“ zur Finanzierung von Investitionen, um ihre Aktivitäten klimafreundlicher zu machen, also auf Nettobasis weniger Treibhausgase auszustoßen. Japan Airlines zum Beispiel begab im Juni einen solchen „Transition Bond“ im Volumen von 20 Mrd. Yen (125 Mill. Euro) mit einem Kupon von 1,2% bei einer Laufzeit von 10 Jahren, um den Kauf von spritsparenden Flugzeugen zu finanzieren. Die Emission war sechsfach überzeichnet – ein Indiz dafür, dass japanische Investoren solche Green Corporate Bonds als Finanzierungsinstrument akzeptieren.

Die japanische Regierung verleiht diesem Markt nun durch die Ausgabe der weltweit ersten staatlichen „Green Transition Bonds“ (GX-Bonds) kräftig Auftrieb. Auf der Basis eines Gesetzes von Ende Mai will sie bis 2033 GX-Anleihen für 20 Bill. Yen (125 Mrd. Euro) begeben. Damit sollen private und öffentliche Investitionen im Bereich der Dekarbonisierung von bis zu 150 Bill. Yen (938 Mrd. Euro) angestoßen werden. Die erste Auktion für 1,6 Bill. Yen (10 Mrd. Euro) findet nach Angaben des Finanzministeriums im Februar statt. Die Refinanzierung der Anleihen soll über die CO2-Steuer erfolgen, die Japan ab 2028 von den Importeuren fossiler Brennstoffe und ab 2033 von Stromerzeugern erhebt.

Die staatlichen GX-Bonds sollen Investitionen finanzieren, die private Unternehmen wegen ihres Risikos eher vermeiden, etwa die Entwicklung von Technologien für Wasserstoff, CO2-Abscheidung, -Nutzung und -Lagerung oder für kleine Kernkraftwerke. Laut dem staatlichen Investitionsplan sollen 4 Bill. Yen (25 Mrd. Euro) in die Stromversorgung fließen, etwa in die Entwicklung von Wärmekraftwerken, die auch Ammoniak verbrennen können. Der Infrastrukturbereich erhält ebenfalls 4 Bill. Yen, darunter der Umbau der Stromnetze und ein Netz mit Ladestationen. Ein dritter Schwerpunkt mit 4 Bill. Yen sind energiesparende Häuser und Gebäude.

"Greenium"-Prämie lockt

Die Regierung muss noch entscheiden, welche Projekte sie finanzieren und wie sie den Investoren über deren Fortschritte berichten will. Anfang Dezember werden Details wie Auktionstermine, Emissionsbeträge, Laufzeiten und Zinssätze veröffentlicht. Als Richtschnur für die Kupons könnten grüne Anleihen dienen, die bereits von japanischen Lokalregierungen ausgegeben werden und über implizite Staatsgarantien verfügen.

In den vergangenen 12 Monaten erzielten solche grünen Anleihen eine kleine Prämie – ein "Greenium" – von 1 bis 2 Basispunkten gegenüber regulären Anleihen mit vergleichbarer Laufzeit. „Wir hoffen, dass auch GX-Anleihen ein Greenium haben werden", erklärte Fumihiro Kajikawa vom zuständigen Wirtschaftsministerium METI kürzlich auf einem Symposium in London.

Grüne Übergangsanleihen werden mit Zusicherungen von dritten Prüfern ausgegeben. Dieser Prozess soll sicherstellen, dass die finanzierten Projekte tatsächlich Emissionen verringern. „Das Risiko von Green- oder Transition-Washing lässt sich jedoch nicht völlig ausschließen", warnte Masato Kikuchi, der beim Broker SMBC Nikko an nachhaltigen Lösungen arbeitet, in der Zeitung "Nikkei". „GX-Bonds bergen solche Risiken. Falls sie eintreten, könnten sie den Gesamtmarkt für solche Bonds treffen und Neuemissionen erschweren.“

Ein unabhängiger Prüfer für die staatlichen GX-Bonds wird die japanische Ratingagentur Japan Credit Rating Agency sein. Laut Atsuko Kajiwara, Abteilungsleiterin für die Bewertung nachhaltiger Finanzierungen, kommen Zeitplanänderungen bei allen Technologieprojekten vor. Die Emittenten müssten sich daher verpflichten, der Prüfstelle etwaige Probleme sofort zu melden und sie den Investoren mitzuteilen. Die verifizierende Institution biete lediglich eine Meinung von dritter Seite und trage keine Verantwortung für die Werterhaltung der Papiere, betonte Kajiwara.

Die Befürchtung von Transition-Washing bei den angekündigten GX-Bonds hängt auch damit zusammen, dass die Regierung in Tokio in der Tendenz weniger auf den Ausbau erneuerbarer Energien und mehr auf noch nicht kommerzialisierte oder teure Technologien zur Verringerung von CO2-Emissionen setzt. Japans Wirtschaft produziert besonders viele energieintensive Güter wie Zement, Chemikalien, Stahl und Papier. Die Regierung will keine allzu schnelle Energiewende, weil sie diese Produktionskapazitäten erhalten will.

Starkes ESG-Engagement

Die private Wirtschaft selbst engagiert sich auffällig stark im Bereich ESG. Japan stellt mit 85 der 422 Mitgliedsunternehmen die größte Gruppe in der globalen RE100-Initiative für die Verwendung von 100% erneuerbarem Strom. Und 831 Unternehmen, davon knapp ein Viertel aus dem Finanzsektor, haben sich freiwillig dazu verpflichtet, die Empfehlungen der „G20-Task Force on Climate-related Financial Disclosures“ (TCFD) zu befolgen und die klimabezogenen Risiken und Chancen ihrer Geschäfte zu veröffentlichen. Allerdings berichteten bei einer Umfrage im September nur 9 von 394 antwortenden Unternehmen, dass sie sich ihre Veröffentlichungen von unabhängiger Seite bestätigen lassen.

Ungeachtet dieses privatwirtschaftlichen ESG-Engagements kritisierte eine Bloomberg-Kolumne kürzlich Japan als „das Land, das die Energiewende vergaß“. Als Folge der Fukushima-Katastrophe sei der Anteil von Kohle und Gas bei der Stromerzeugung auf 68% gestiegen und die angestrebte Verringerung auf 41% im Jahr 2030 kaum zu schaffen.

Der Hauptgrund: Zehn nahezu autonome Regionalversorger teilen sich den Strommarkt auf. Im Süden erzeugter Strom lässt sich mangels Verbindungsleitungen zwischen den Regionen deswegen nicht im Norden verkaufen.

Japans gebremster Übergang in eine kohlenstoffarme Wirtschaft könnte den Appetit ausländischer Anleger auf staatliche Transition Bonds aus Japan verringern. „Das Interesse des Auslands an GX-Anleihen wird letztlich von den Kuponsätzen abhängen", meinte Kikuchi von SMBC Nikko. Die niedrigen Anleiherenditen in Japan – eine Folge der ultralockeren Geldpolitik der Notenbank – würden die Attraktivität von Übergangsanleihen einschränken.

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