LEITARTIKEL

Heikle Staatswirtschaft

Die Coronakrise hat nicht nur Wirtschaft und Gesellschaft in eine in der jüngeren Geschichte beispiellose Lage gebracht, sondern auch die Rolle des Staates vor allem im Hinblick auf seine Fürsorgepflicht und Eingriffsrechte grenzüberschreitend...

Heikle Staatswirtschaft

Die Coronakrise hat nicht nur Wirtschaft und Gesellschaft in eine in der jüngeren Geschichte beispiellose Lage gebracht, sondern auch die Rolle des Staates vor allem im Hinblick auf seine Fürsorgepflicht und Eingriffsrechte grenzüberschreitend ausgeweitet. Allerdings ist deshalb die Legitimität staatlicher Finanzhilfe für eine zwangsgelähmte Wirtschaft nicht schrankenlos – weder was die jeweilige Zielgruppe betrifft noch die in Rede stehenden Instrumente. Zu diesen zählen nicht nur staatlich besicherte Kredite oder sogar direkte Eigenkapitalspritzen – auch das Kurzarbeitergeld kommt von der Solidargemeinschaft, ebenso wie die Staatskasse für die dringend geforderten Kaufprämien in der Automobilindustrie herhalten soll.Angesichts der milliardenschweren Rettungspakete ist die Bundesregierung gut beraten, im Interesse der Steuerzahler ein Mindestmaß an Regeln nicht außer Acht zu lassen. Das gilt schon für die Kredite der KfW an kleine und mittelständische Unternehmen, deren Ausgabe nicht planlos in Lichtgeschwindigkeit an alle und jeden vonstattengehen kann. Es gilt aber umso mehr für großvolumige Einzeldarlehen an Kapitalgesellschaften. Dabei hat das Gesetz über den Wirtschaftsstabilitätsfonds bereits wichtige Pflöcke eingeschlagen, um die Vergütung von Managern zu begrenzen oder die Auszahlung von Dividenden – indirekt aus Steuermitteln – zu unterbinden. Entscheidend sollte auch eine Diskriminierungsfreiheit der Kredithilfe sein, immerhin zeitigt auch das Virus seine Folgen “diskriminierungsfrei”.Damit rückt eine Branche ins Rampenlicht, der in der gegenwärtigen öffentlichen Debatte aufgrund ihrer Schlüsselposition für die Verkehrsinfrastruktur der Wirtschaft eine besondere Schutzwürdigkeit zugesprochen wird: die Luftfahrt. Obwohl die staatlichen Rettungsschirme in Gestalt von besicherten Krediten vielfach über den Fluggesellschaften eines Landes aufgespannt werden, zeigt sich jedoch eine Schwerpunktzuteilung an teilstaatliche oder exstaatliche Gesellschaften wie Swiss oder Air France, was eine Diskriminierungsfreiheit der Hilfen in Frage stellt. Nicht ohne Grund hat Ryanair just Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gegen staatliche Kredite für schwedische Airlines eingereicht. Mehr als fragwürdig erscheint die Rettung der zuvor schon desolaten Alitalia, die nach einem langwierigen “Verkaufsprozess” nun ohne Umstände verstaatlicht wird.Aber auch bei der Lufthansa geht es um Unterstützung mit Eigenkapital oder eigenkapitalähnliche Instrumenten durch den Staat. Da für den Konzern von einem Kapitalbedarf von rund 10 Mrd. Euro die Rede ist – bei einer Marktkapitalisierung von 3,8 Mrd. Euro (!) -, dürfte eine Rettung ohne Eigenkapital schwer darstellbar sein. Der Streit um die richtigen Instrumente entzündet sich dabei an der staatlichen Einflussnahme, die etwa mit dem Erwerb einer Sperrminorität in Gestalt von einem oder gar zwei Aufsichtsratsmandaten verbunden wäre. Bei allem Respekt vor der Idee, dass der Staat in der Regel kein guter Unternehmer ist, gilt in der Wirtschaft nicht ohne Grund: Wer die Musik bezahlt, bestimmt, was gespielt wird – ein Grundsatz, der auch bei staatlichen Eigenkapitalspritzen gelten sollte, in Grenzen, die das Gesellschaftsrecht und andere Eigentümer setzen. Für den Steuerzahler empfiehlt sich eine Direktbeteiligung nicht nur als saubere, sondern auch mitunter als rentable Lösung, wie die beherzten Paketkäufe der USA bei Banken und einzelnen Unternehmen in der Finanzkrise gezeigt haben. Denn als Aktionär profitiert der Staat, unmittelbar wenn die Krise vorüber ist, das Geschäft wieder anzieht und damit auch der Aktienkurs. So konnte die US-Regierung ihre Beteiligungen überwiegend mit gutem Gewinn verkaufen.Während sich so eine Rettung der Lufthansa im Hinblick auf Zielgruppe und Instrumente rechtfertigen ließe, verdient die Unterstützung einer anderen vermeintlichen Schlüsselbranche eine äußerst kritische Betrachtung. Eine Kaufprämie für Autos, ein reiner Zuschuss aus der Staatskasse also, wäre ein Geschenk an eine Branche, die sich dafür in mehrfacher Weise disqualifiziert hat. So sitzen allein VW, Daimler und BMW auf Barmitteln von 50 Mrd. Euro und winken mit üppigen Dividenden. VW hat eine Erhöhung um 35 % für 2019 angekündigt, abgesehen davon, dass staatliche Unterstützung für ein Unternehmen, das Geld ausgeben muss, weil es seine Dieselkunden reihenweise über den Löffel barbiert hat, ohnehin anrüchig wirkt. Von Diskriminierungsfreiheit gegenüber anderen Unternehmen, etwa in der Leitbranche Maschinenbau, nicht zu reden. ——Von Heidi RohdeAuch in der beispiellosen Coronakrise braucht Staatshilfe Legitimität, sowohl im Hinblick auf die Zielgruppe als auch auf die finanziellen Instrumente.——