Run-off von Lebensversicherern

Heute salonfähig

Vor allem Lebensversicherer mit ausländischen Müttern haben wenig Berührungsängste zu externem Run-off. Ein wenig Skepsis darf aber bleiben.

Heute salonfähig

Nach längerer Ruhe ist in den Markt für den Run-off von Lebensversicherungen in Deutschland Bewegung gekommen. Vor wenigen Tagen verkündete die Zurich Gruppe Deutschland, ein Paket mit 720000 Verträgen und einem verwalteten Vermögen von 21 Mrd. Euro an den Abwicklungsspezialisten Viridium abzugeben. Es ist die zweitgrößte Transaktion bisher auf dem hiesigen Run-off-Markt für Lebensversicherungen.

Der vereinbarte Deal, der noch grünes Licht von der BaFin erhalten muss, untermauert, dass die Abgabe von Vertragsbeständen an externe Abwickler salonfähig ge­worden ist. Die Ankündigung der Zurich-Transaktion verlief geräuschlos, Proteste waren nicht zu vernehmen. Noch vor fünf Jahren war der Widerstand in der Politik und bei Verbraucherschützern so groß, dass die Ergo einen Rückzieher machte und ihre Ausgliederungspläne ad acta legte. Sie wickelt seitdem aktuell noch 3,5 Millionen Verträge in der Ergo Leben intern ab.

Es hat sich gezeigt, dass vor allem Versicherer mit ausländischen Mutterkonzernen in Sachen Run-off weniger Berührungsängste entwickelt haben bzw. sich über Kritik einfach hinweggesetzt haben. Die drei größten Lebensversicherer hierzulande mit ausländischen Eignern sind mit externen Abwicklern bereits ins Geschäft gekommen. Die Generali hat 2018 als bislang umfangreichste Markttransaktion 3 Millionen Policen an Viridium abgegeben, die Axa transferierte ebenfalls im Jahr 2018 ihre Pensionskasse an die Frankfurter Leben. Und jetzt also Zurich.

War die anfängliche Skepsis in Sachen externer Run-off überflüssig? Eine verlässliche Antwort kann bis heute nicht gegeben werden. Fakt ist: Im Geschäft mit der externen Abwicklung von Lebensversicherungen haben sich vor allem internationale Finanzinvestoren engagiert. Hinter Viridium steht mehrheitlich Cinven, hinter der zweiten großen Plattform Frankfurter Leben die chinesische Fosun. Beider Priorität ist das Erwirtschaften hoher Renditen, nicht langfristiger Kundenzufriedenheit. Beides kann, muss aber nicht im Einklang stehen.

Kürzlich geriet zudem Fosun in die Schlagzeilen. Die Dollar-Anleihen der Beteiligungsgesellschaft stürzten nach Spekulationen über eine Ansteckungsgefahr durch den in Turbulenzen geratenen chinesischen Immobiliensektor ab. Gleichzeitig wies die Tochter Frankfurt Münchener Leben – hierbei handelt es sich um die ehemalige Arag Leben – zum Stichtag Ende 2021 eine Solvenzquote am unteren Ende des deutschen Marktes aus. Ohne Übergangsmaßnahmen wären nach BaFin-Auffassung die Eigenmittel sogar negativ gewesen.

Mittlerweile hat sich die Situation entspannt: Im Zuge der Zinswende dürfte die Solvenzquote der Gesellschaft deutlich nach oben geschnellt sein, und Fosun hat mit einem umfassenden Rückkaufangebot für alle demnächst fällig werdenden Dollar-Bonds eine Art Vertrauensbildung be­trieben.

Doch was ist, wenn der Investor hinter einer Run-off-Plattform ausfallen sollte? Die BaFin achtet nach eigener Aussage darauf, dass nicht beim Investor, sondern bei dem von ihr beaufsichtigten Versicherer selbst genügend Kapital vorhanden ist, um auch „stand alone“ dauerhaft den Verpflichtungen gegenüber den Kunden nachkommen zu können. Ob das tatsächlich in jedem Fall sehr langfristig funktioniert, wird sich womöglich erst in Jahrzehnten zeigen.

Alternativen haben abgabewillige deutsche Lebensversicherer, die Altportfolios loswerden wollen, bislang wenig. Die Ergo Leben, die sich schon vor Jahren mit IBM zusammengetan hat und Run-off auch für Dritte anbieten will, geht laut Geschäftsbericht 2021 erst mittelfristig davon aus, Bestände anderer Versicherer migrieren und verwalten zu können.

Wie geht es weiter? Mit einem verstärkten Run auf externen Run-off ist angesichts der marktweiten Entspannung der Solvenzquoten angesichts der Zinswende nicht zu rechnen. Aber es dürfte doch noch einige Lebensversicherer im Markt geben, die allein mit Blick auf die Verwaltungskosten ihre alten, längst für das Neugeschäft geschlossenen Garantiebestände mittelfristig nicht selbst managen wollen. Und die spezialisierten Abwickler haben Interesse daran, möglichst viel Geschäft auf ihre Plattformen zu ziehen, um Größenvorteile sowohl in der Administration als auch in der Kapitalanlage richtig ausspielen zu können. Die Voraussetzungen für weitere Transaktionen sind also gegeben.

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