HSBC gibt auf
Deglobalisierung
HSBC gibt auf
Von Andreas Hippin
Was weithin als Zeichen der Schwäche gesehen wurde, könnte in Wahrheit das Gegenteil sein.
Die HSBC hat sich zum Rückzug aus der Beratung bei Übernahmen und Börsengängen in Europa, Nord- und Südamerika entschlossen. Was weithin als Zeichen der Schwäche aufgenommen wurde, könnte in Wahrheit das Gegenteil sein. Der neue Chef Georges Elhedery hat damit das bisherige Bestreben des Instituts, jedem überall auf der Welt alles bieten zu wollen, aufgegeben.
Diesem Schritt könnten weitere folgen. Denn die rasant voranschreitende Deglobalisierung stellt das Geschäftsmodell Welthandelsbank in Frage. Elhederys Vorgänger Noel Quinn hoffte noch auf eine Umkehrung der protektionistischen Tendenzen. Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten zeigt jedoch, wohin die Reise geht. Auch in der Volksrepublik China neigt man unter Xi Jinping zur Nabelschau.
Stärke in Nahost und Asien
Das bedeutet zwar kein Ende der Globalisierung. Handelsfinanzierung wird weiter gefragt sein. Es dürften sich jedoch regionale Cluster bilden, die in erster Linie mit sich selbst Handel treiben und von regionalen Champions dominiert werden.
Elhedery hat vor diesem Hintergrund analysiert, wo die Stärken der HSBC liegen. Die M&A-Beratung in Europa gehörte nicht dazu. Das Geschäft wird mittlerweile von US-Großbanken dominiert. Es ist keine Position der Stärke, die das Institut hier aufgibt. In Nordamerika hatte es bei weitem nicht die Position, die es sich an den Kapitalmärkten des Nahen Ostens erarbeiten konnte.
Investment Banking geht im Firmenkundengeschäft auf
Bereits im Oktober vergangenen Jahres hatte Elhedery die Investment-Banking-Sparte Global Banking & Markets, als deren Co-Chef er eine Weile fungierte, mit dem Firmenkundengeschäft zusammengelegt. Zudem teilte er die Welt in „östliche Märkte“, die den Nahen Osten, Afrika und den Asien-Pazifik-Raum umfassen, und „westliche Märkte“ wie Großbritannien, Resteuropa sowie Nord- und Südamerika ein. Wo die Prioritäten der HSBC künftig liegen, dürfte ein Blick auf die Kapitalflüsse klar machen.
Asien ist nach wie vor die große Wachstumsgeschichte der Weltwirtschaft. Die Bank hat sich mit ihrem Fokus auf das Perlflussdelta im Reich der Mitte gut positioniert, um daran teilzuhaben. Dazu gehört die neue Seidenstraße, die auch unter dem Namen Belt & Road Initiative bekannt ist. Es handelt sich um riesige Infrastrukturinvestitionen, die China nicht nur mit anderen Schwellen- und Entwicklungsländern, sondern auch mit Europa verbinden sollen.
Ping An dürfte zufrieden sein
Elhedery wurde im Libanon geboren und spricht, neben einer ganzen Reihe von Sprachen, Arabisch. Das dürfte dem Institut in Nahost und Nordafrika zugutekommen, wo es in neun Ländern präsent ist. Der chinesische Großaktionär Ping An, der in der Vergangenheit auf eine Ausgliederung des hochrentablen Asiengeschäfts drängte, wird sicher nichts dagegen haben, wenn der Fokus künftig auf den „östlichen Märkten“ liegen sollte. Auch Elhederys Tritt auf die Kostenbremse dürfte dem Versicherer willkommen sein.
So eine Neuausrichtung bringt Verwerfungen mit sich. Neben Nuno Matos, der selbst als Kandidat für den Chefsessel gehandelt wurde, verließen Personalchefin Elaine Arden und COO John Hinshaw die Bank. Auch Chief Sustainability Officer Celine Herweijer trat ab. Bei Vorlage der Geschäftszahlen des vergangenen Jahres am 19. Februar will HSBC weitere Einzelheiten nennen.
Versierte lokale Wettbewerber
Die Frage ist, wie viel von der bisherigen Stärke des Instituts in den „östlichen Märkten“ mit dem umfassenden weltweiten Dienstleistungsangebot zu tun hat, das es bislang vorzeigen konnte. Denn der Wettbewerb ist auch in diesen Regionen hart. Dort treten globalen Dickschiffen wie HSBC und Standard Chartered versierte lokale Anbieter wie DBS aus Singapur entgegen.
Durch den Rückzug aus dem IPO-Geschäft und der Übernahmeberatung in Europa und Nordamerika sägt Elhedery an diesem Alleinstellungsmerkmal. Das könnte sich noch rächen. Doch fürs Erste lässt sich sagen: HSBC gibt auf, vergibt sich aber nichts.