Im Entscheidungsjahr 2025
Wirecard-Strafprozess
Im Entscheidungsjahr 2025
Von Stefan Kroneck
Der Wirecard-Straf-
prozess geht 2025 in eine entscheidende Phase
für die Urteilsfindung des Gerichts.
Der im Dezember 2022 gestartete Betrugsprozess um Wirecard ist ins dritte Jahr gegangen. Ein Ende dieses Mammutverfahrens ist immer noch nicht in Sicht. Wenn das Landgericht München bis Ende dieses Jahres die angesetzten Termine für die weitere Beweisaufnahme abarbeitet, werden bis dahin rund 250 Verhandlungstage angefallen sein. Bislang sind es schon mehr als 170.
Das heißt, dass ein Urteil der Kammer unter Vorsitz des Richters Markus Födisch auch in diesem Jahr nicht zu erwarten ist, sondern erst 2026. Und dennoch ist dieses Jahr entscheidend für den weiteren Verlauf einer der größten Strafprozesse in der Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Denn Födisch regte gegenüber der Staatsanwaltschaft vor kurzem an, die umfangreiche Anklageschrift auf wesentliche Punkte zu begrenzen, um das Verfahren zügiger durchzuführen. Denn viele Nebenpunkte in dem Schriftstück hat das Gericht noch gar nicht behandelt. Sollte die Kammer das machen, so wäre ein Urteil wohl erst 2027 absehbar.
In Widersprüche verstrickt
Nach der Vernehmung vieler Zeugen ist wohl die Beweislage ausreichend genug, damit das Gericht eine Indikation über einen Urteilsspruch für die drei Angeklagten abgeben kann. So scheint die Strafkammer den Aussagen des Kronzeugen der Ermittlungsbehörde zu glauben. Oliver Bellenhaus, der frühere Wirecard-Konzernstatthalter in Dubai, legte gleich zu Beginn des Prozesses ein Geständnis ab, während die anderen beiden Ex-Manager des im Frühsommer 2020 pleitegegangenen Zahlungsabwicklers die Tatvorwürfe bestreiten.
Der Hauptangeklagte, der ehemalige Vorstandsvorsitzende Markus Braun, sieht sich sogar in der Rolle des Opfers krimineller Machenschaften anderer Personen, darunter Bellenhaus, die hinter seinem Rücken gehandelt haben sollen. Diese Version scheint das Gericht ihm aber nicht abzunehmen. Je mehr Zeugen aussagen, desto größer wird die Beweislast gegen ihn. Braun verstrickte sich bei seiner Einlassung in viele Widersprüche. Genauso ging es auch dem früheren Konzernchefbuchhalter Stephan von Erffa. Auch er redete sich um Kopf und Kragen. Födischs Vorschlag, ebenfalls seine Schuld zu gestehen, schlug er aus. Dadurch erhöht sich Erffas Strafmaß.
Mehr als zehn Jahre Gefängnis drohen
Die mögliche Strafe hat es in sich. Denn Braun und dem Ex-Chefbuchhalter drohen mehr als zehn Jahre Gefängnis – nicht nur für die Straftaten, sondern auch für ihr Verhalten vor Gericht. Bei beiden war keine Reue zu spüren. Vielmehr verteidigen sie sich nach dem Motto „Mein Name ist Hase, ich wusste von nichts.“
Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten vor allem gewerbsmäßigen Bandenbetrug vor. Sie sollen Bilanzen gefälscht, den Markt mit Falschinformationen manipuliert und hausinterne Kredite missbraucht haben. All das, um nach außen die Lage von Wirecard zu schönen, obwohl die Firma Verluste schrieb. Dadurch ließen sich die kreditgebenden Banken und andere Finanzinvestoren lange Zeit blenden. Der Schaden für die Gläubiger beträgt laut Strafermittlern 3,2 Mrd. Euro.
Bei einer Verurteilung würde das Gericht Brauns Untersuchungshaft anrechnen. Im August 2025 säße er dann bereits fünf Jahre in der Justizvollzugsanstalt. Födisch sieht bei ihm Flucht- und Verdunklungsgefahr. Letzteres bedeutet, dass man ihn verdächtigt, in Freiheit Zeugen zu beeinflussen. Der einstige Fintech-Senkrechtstarter aus Österreich und zeitweilige Milliardär, heute wegen Beschlagnahmung seines verbliebenen Vermögens faktisch mittellos, gilt als Kopf der Bande. Sie flog im Frühjahr 2020 nach einer vom damaligen Wirecard-Aufsichtsrat Ende 2019 in Auftrag gegebenen Sonderprüfung durch KPMG auf.
Wirecard-Komplex geht weiter
Mit einer Verurteilung der Angeklagten wäre das Kapitel Braun zwar strafrechtlich beendet, der gesamte Wirecard-Komplex aber längst noch nicht. Der flüchtige Ex-Konzernvorstand Jan Marsalek versteckt sich vermutlich in Moskau. Das Gericht prüft eine Anklage gegen Ex-Finanzvorstand Burkhard Ley. Für die Justiz gibt es in der Causa noch einiges aufzuarbeiten.