KommentarShein-IPO

In Lumpen an die Börse

Der Fast-Fashion-Riese Shein wächst zwar rasant. Doch die Profitabilität dürfte auch langfristig kaum beeindrucken.

In Lumpen an die Börse

Shein-IPO

In Lumpen
an die Börse

Von Alex Wehnert

Der Fast-Fashion-Riese Shein wächst zwar rasant, die Profitabilität dürfte aber auch langfristig kaum beeindrucken.

Der vertrauliche Antrag des Fast-Fashion-Riesen Shein auf einen US-Börsengang lässt Marktteilnehmer auf einen fortgesetzten IPO-Aufschwung hoffen. Doch der Gang aufs New Yorker Parkett dürfte für den in China gegründeten Billigmodehändler noch große Herausforderungen mit sich bringen. Bei einer Finanzierungsrunde im Mai kam er auf eine Bewertung von 66 Mrd. Dollar, bei einem Börsengang dürfte das seit 2019 in Singapur ansässige Unternehmen höhere Werte anpeilen – eine hohe Vorgabe.

Damit das Debüt gelingt, wird Shein in den kommenden Monaten viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. Denn das Wachstum nimmt sich zwar halsbrecherisch aus, im US-Billigmodemarkt kommt die Fast-Fashion-Plattform wohl auf Anteile von 40%. Doch die Profitabilität fällt weit weniger beeindruckend aus. Die Nettomarge belief sich 2022 auf 3,5%, die Zara-Mutter Inditex kam auf 13%. Wer die 66-Mrd.-Dollar-Bewertung zugrunde legt, erhält für Shein ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 83, jenes von Inditex liegt bei 28.

Natürlich ist eine hohe Bewertung charakteristisch für ein junges Unternehmen – ebenso wie Wachstum zulasten der Profitabilität. Allerdings stellt sich bei Shein die Frage nach den Perspektiven. Die Röcke, die aktuell zu 5 Dollar aus den Lagern fliegen, werden zu höheren Preisen kaum Abnehmer finden. Die Kampfpreise kann sich Shein vor allem aufgrund ihres Liefernetzwerks in China leisten.

Gerade zu diesem wird Shein als börsennotiertes Unternehmen aber unangenehmere Fragen beantworten müssen. Denn der Fast-Fashion-Riese steht im Verdacht, in China zu menschenunwürdigen Bedingungen zu produzieren. Strengere Reporting-Pflichten nach einem US-Listing dürften die bisher intransparente Lieferkette durchsichtiger machen – und einiges zutage fördern, das ESG-Investoren als äußerst stillos auffassen könnten.

Shein versucht indes, die Profitabilität nicht nur durch niedrige Produktionskosten zu stärken, sondern auch durch den Aufbau eines Online-Marktplatzes für Drittparteien. Allerdings lauern in diesem Bereich Wettbewerber mit Konfektionsgröße XXXL, allen voran Amazon. Sich gegen solche Rivalen zu behaupten wird schwer – zumal Shein trotz des Umzugs nach Singapur durch Spannungen zwischen Washington und Peking größere Risiken drohen. Gegenüber der Textil-Konkurrenz mag Shein aktuell also in wallenden Kleidern dastehen. Auf den zweiten Blick könnten sich diese aber als notdürftig zusammengeflickte Lumpen herausstellen.

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