Japanische Investoren auf Rekord-Einkaufstour
Immobilien-Investoren auf großer Einkaufstour
Nach den USA und dem Asien-Pazifik-Raum wenden sich japanische Anleger verstärkt Europa und Deutschland zu.
Von Martin Fritz, Tokio
Bei japanischen Immobilienkäufen im Ausland denkt man schnell an das Rockefeller Center in Manhattan, das Mitsubishi Estate im Übermut der japanischen Aktien- und Immobilienblase Ende 1989 für 1,4 Mrd. Dollar kaufte. Schon 1995 konnten die Japaner ihre Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen und mussten die Trophäe verkaufen. Über 30 Jahre später scheint sich die Geschichte zu wiederholen: Im Juni 2023 kehrte der Investor Mori Trust nach Manhattan zurück und übernahm für 700 Mill. Dollar knapp die Hälfte eines 45-stöckigen Büro-Towers in der Park Avenue nahe dem Grand Central Terminal.
Und das war kein Einzelfall: Japanische Investoren investierten im abgelaufenen Jahr über 7,5 Mrd. Dollar in Übersee-Immobilien, dreimal mehr als im Jahr 2021. Es war das höchste Kaufvolumen in Gewerbeimmobilien seit Beginn der Datenerhebung von MSCI 2005. Mit Mitsubishi Estate (1,5 Mrd. Dollar), Mori Trust (1,1 Mrd. Dollar), dem Japanese Government Pension Fund (1,1 Mrd. Dollar), KDDI (1 Mrd. Dollar), Mitsui Fudosan (430 Mill. Dollar), dem Handelshaus Mitsubishi (340 Mill. Dollar) und Daiwa House (330 Mill. Dollar) waren bekannte Entwickler und Investoren vertreten.
Kühlen Kopf bewahren
Knapp die Hälfte der Gesamtsumme – 3,7 Mrd. Dollar – floss in Gewerbeimmobilien in Nord- und Südamerika, das höchste Volumen seit 2016. Die Investitionen im Asien-Pazifik-Raum markierten mit 3 Mrd. Dollar ebenfalls einen Rekord. Allein 1,9 Mrd. Dollar gingen nach Australien und rund 400 Mill. Dollar nach Indonesien.
Anders als die Investoren damals handeln diese Adressen heute mit kühlem Kopf: Sie wollen ihre Portfolios langfristig diversifizieren und nutzen die Immobilienkrisen in den USA und Europa zu Schnäppchenkäufen, weil lokalen Anlegern durch die hohen Zinsen und aufgrund von Allokationsgrenzen die Hände gebunden sind. Für japanische institutionelle Anleger sind Immobilien in Übersee attraktiv, da sie höhere Wertsteigerungen als japanische Objekte versprechen. Dank der Niedrigzinsen in Japan können Investoren dort günstige Kredite aufnehmen und sich damit einen großen Vorteil gegenüber der Konkurrenz verschaffen.
Eine große Transaktion galt drei Rechenzentren in Toronto, die Japans zweitgrößter Mobilfunkanbieter KDDI für 1,35 Mrd. kanadische Dollar kaufte. Ein von Mitsubishi Estate mitgegründeter Fonds kaufte im November einen Büro- und Einzelhandelskomplex in Sydney für 777 Mill. austr. Dollar (476 Mill. Euro). Abgesehen von der prominenten Adresse in Manhattan wagen die Japaner inzwischen auch kalkulierte Wertsteigerungswetten auf ältere und teils weitgehend leerstehende Gebäude der Kategorie B, wie etwa Anfang Dezember, als Mitsubishi Estate ein Bürogebäude im Londoner Westend für geschätzte 150 Mill. Pfund übernahm.
„Die Situation heute kann man eigentlich nicht mit der ‚Blasenzeit‘ vergleichen, weil es damals keinen institutionellen Immobilienmarkt in Japan gab“, betont Leonard Meyer zu Brickwedde, CEO und Gründer der Kensho Investment Group in Tokio, die japanische Immobilien-Investoren bei Käufen in Europa berät. Die jetzige Kaufwelle wird nach seiner Ansicht weitergehen. „Viele japanische Unternehmen, die als Vorreiter gelten, bekommen derzeit Anfragen von anderen Firmen in Japan, die ebenfalls im Ausland kaufen wollen“, berichtet der deutsche Immobilienexperte.
Liquidität für Deutschland
Die Japaner würden zwar traditionell zuerst in die USA schauen, aber nun verstärkt Europa ins Fadenkreuz nehmen. Bisher sei vor allem indirekt über Fonds investiert worden, so dass die japanischen Kaufsummen in den Statistiken nicht auftauchen. „Aber wir werden sehr bald mehr Direktinvestitionen in Europa und auch in Deutschland sehen“, sagt Meyer zu Brickwedde. Mit ihrer frischen Liquidität könnten die Japaner dabei helfen, die erstarrten Marktmechanismen in Deutschland wieder in Gang zu setzen.
Bislang machen Auslandsimmobilien nur einen kleinen Teil des verwalteten Vermögens von institutionellen Anlegern in Japan aus. Der größte Lebensversicherer Nippon Life zum Beispiel hatte Ende September 3,9 Mrd. Dollar an Immobilien in den USA, Europa und Asien in den Büchern stehen, nicht einmal 1% des gesamten Vermögens von 555 Mrd. Dollar. Diese Anteile dürften daher noch kräftig wachsen.
Große private Entwickler richten ihren Blick noch nicht lange ins Ausland. Mori Trust, Mitsubishi Estate und Mitsui Fudosan gingen als Pioniere voran. Es folgten der weltgrößte staatliche Pensionsfonds GPIF und die Banksparte von Japans Post. Der GPIF mit Assets von 219 Bill. Yen (1,4 Bill. Euro) begann ab 2018 über Fonds in globale Immobilien zu investieren und steckte 2023 jeweils 500 Mill. Dollar in von Blackstone und Brookfield verwaltete Fonds. Die japanische Postbank steigerte ihre Immobilienanlagen in sechs Jahren von null auf 4 Bill. Yen (25 Mrd. Euro), davon 59% in Nordamerika und 27% in Europa. Mittlerweile streben institutionelle und private Firmen ins Ausland. „Der jetzige Investitionsschub erklärt sich einerseits mit den Kapitalrücklagen, die sich während der Pandemie aufgestaut haben“, sagt Meyer zu Brickwedde. „Andererseits haben die institutionellen Anleger nach rund einem Jahrzehnt des Herantastens ausreichende Erfahrungen gesammelt und Geschäftsverbindungen etabliert, um gute Objekte im Ausland zu finden und zu erwerben.“
Den schwachen Yen würden die japanischen Investoren ignorieren, weil sie langfristig denken und sich selten gute Kaufgelegenheiten wie zurzeit bieten. „Was nämlich unter normalen Gegebenheiten sofort in das Portfolio von einheimischen Großanlegern wandern würde, kommt in der aktuellen Krise in die Reichweite der Japaner mit ihren hohen liquiden Mitteln“, sagt Meyer zu Brickwedde.