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Katerstimmung statt Party in Vegas

Über ein Jahrzehnt ist die Autoindustrie zur Konsumelektronikmesse CES nach Las Vegas gepilgert. Von großen Hoffnungen ist wenig geblieben.

Katerstimmung statt Party in Vegas

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Katerstimmung
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Von Sebastian Schmid

Über ein Jahrzehnt ist die Autoindustrie zur Konsumelektronikmesse CES nach Las Vegas gepilgert. Von den großen Hoffnungen ist wenig geblieben.

Als die Autoindustrie vor knapp eineinhalb Dekaden die Konsumelektronikmesse CES in Las Vegas für sich entdeckte, ging es noch nicht um E-Mobilität, und auch autonomes Fahren war noch weit weg. Auto öffnen via iPhone, Infotainment und Navigation waren Themen, mit denen auch deutsche Premiumhersteller damals in der Wüstenstadt punkten wollten. Es folgten Konzeptjahre zum autonomen Fahren und elektrifizierte Fahrzeuge, die dort einfach besser hinzupassen schienen als in die zunehmend vernachlässigte traditionelle US-Automesse im kalten Detroit.

Autobauer bleiben Autoshow fern

2025 sind viele dieser Träume längst geplatzt – nicht nur bei deutschen Autobauern. Stammgast Mercedes tat es den US-Konkurrenten General Motors, Ford und Chrysler (Stellantis) gleich und ließ die Autoshow aus. Dabei feierte hier vor fünf Jahren Mercedes’ erste echte E-Plattform ihre öffentliche Premiere: mit dem Prototyp Vision EQS. Mehrere Modelle, die auf der „Vision“ fußten, sind ein halbes Jahrzehnt später schon Ladenhüter. 2024 sank der Absatz aller Elektro-Mercedes um mehr als ein Fünftel auf nur noch 205.000 Stück – ein prozentual einstelliger Anteil am gesamten Absatz.

Volkswagen macht in Vegas dieses Jahr kaum einen Aufschlag. Lediglich mit der auf den US-Markt ausgerichteten wiederbelebten Marke Scout und zwei Prototypen sind die Wolfsburger nach Nevada gereist. Die Zahl von angeblich 50.000 anzahlenden Interessenten stimmt immerhin zuversichtlich. Allerdings hat sich das Gros nicht für eine reine Elektrovariante, sondern die spät hinzugekommene Version mit Benzin-Range-Extender entschieden. BMW stellt derweil ein neues Infotainment-Konzept vor. Doch die Münchener stehen ebenfalls als Sinnbild für den Stimmungswandel in der Branche. Vor zwei Jahren hatte CEO Oliver Zipse noch gemeinsam mit Arnold Schwarzenegger und viel Tamtam ein Konzeptauto vorgestellt, das auf Knopfdruck die Farbe wechseln und die Windschutzscheibe zum Display machen konnte. 2025 darf Entwicklungschef Frank Weber das Bediensystem und das dahinterliegende Betriebssystem „X“ vorstellen.

Nvidia mit breiter Brust

Nur einer reist weiter mit breiter Brust nach Vegas: Nvidia-CEO Jen-Hsun Huang. Der Chef des weltgrößten Chipproduzenten verspricht dank KI rasante Fortschritte beim autonomen Fahren. Das hatten sich deutsche Autobauer auch mal auf die Fahnen geschrieben. Statt rauschender Partys herrscht für sie in Vegas nur noch Katerstimmung.

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