Mercedes-Benz

Klasse statt Masse

Mercedes-Benz profitiert von den steigenden Preisen für Autos. Und die Rendite nimmt dank gesenkter Kosten zu. Doch auch die Herausforderungen wachsen.

Klasse statt Masse

Mehr Luxus, höhere Preise: Mit dieser Strategie machen Mercedes-Benz und auch die Konkurrenten im Premiumsegment das Beste aus der vertrackten Situation. Da schnellt die Nachfrage nach Autos nach dem desaströsen Coronahalbjahr – den ersten sechs Monaten des Jahres 2020 – in den großen Märkten ungeahnt rasch auf kaum vorstellbare Höhen, doch die Chipmisere verhindert seit Monaten einen zügigen Ausgleich von Angebot und Nachfrage. Wie die Entwicklung der Margen der Premiumanbieter zeigt, ist die Knappheit der kleinen Bauelemente jedoch auch ein Segen. Mercedes-Benz hat 2021 im Segment Cars & Vans das bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern mehr als verdoppelt, Volvo steigerte das operative Ergebnis auf das 2,4-Fache.

Das ist auch gelungen, weil der Mangel an Chips neue und gebrauchte Fahrzeuge begehrter macht. Die Erinnerungen an Rabatte, die häufig auch in der Oberklasse gang und gäbe waren, sind im Markt schon fast verblasst. Im Gegenteil gelingt es den Herstellern jetzt, recht leicht mehr für ihre Produkte zu verlangen. Positive Preiseffekte schlagen die negativen Mengeneffekte. Die Engpässe lassen den Unternehmen keine andere Wahl, als Halbleiter selektiv zu verbauen. Und es ist für sie ökonomisch rational, größere und teurere Automodelle zu bevorzugen, die höhere Deckungsbeiträge und Margen bringen.

Das passt aus Sicht der Hersteller auf wunderbare Weise zur Strategie, sich auf die oberen Segmente zu konzentrieren. BMW produziert den i3 nur noch bis zu diesem Sommer. Audi hat in diesen Tagen angekündigt, künftig den A1 und das kleine SUV Q2 nicht mehr zu bauen. Mercedes-Benz nimmt die B-Klasse aus dem Angebot. Wohin der Trend geht, verdeutlichen die Absatzzahlen von Mercedes-Benz im vergangenen Jahr: Die Marke mit dem Stern verzeichnete insgesamt einen Rückgang um 5 %. Doch im Spitzensegment erzielten Maybach, die Sportwagen von AMG und die Geländewagen der G-Klasse Absatzrekorde. Der S-Klasse gelang ein Zuwachs von 40 %.

Von Dieter Zetsches Ambitionen, Absatzprimus der Premiumanbieter zu sein, hat sich dessen Nachfolger Källenius längst verabschiedet. Dem Schweden geht es darum, Mercedes-Benz als wertvollste Luxusautomarke der Welt zu positionieren. Dieser Klasse-statt-Masse-Effekt ist ein entscheidender Punkt für den Renditesprung von Mercedes-Benz. Der andere ist das Feilen an den Kosten. Seit 2019 hat Mercedes-Benz die Fixkosten um etwa 15% verringert, bis zum Jahr 2025 sollen es alles in allem mehr als 20% weniger sein.

Kosten zu senken wird angesichts der stark gestiegenen Preise für Rohmaterialien und Energie allerdings eine zunehmend schwierigere Aufgabe. Wegen zum Teil lang laufender Verträge werden sich die Auswirkungen voraussichtlich erst in einiger Zeit zeigen. Sollte der Absatz weiter zurückgehen und sollten somit die Kapazitäten nicht ausgelastet sein, wird es kaum gelingen, die Belastungen der Inflation mit höheren Verkaufspreisen aufzufangen. Auch gibt es trotz des knappen Angebots für das Drehen an der Preisschrauben ein Limit – erst recht, wenn sich die Versorgung mit Halbleitern entspannt.

Hinzu kommt, dass sich Sparprogramme nur mit der Arbeitnehmerseite durchsetzen lassen, nicht gegen sie. Der neue Betriebsratschef Ergun Lümali verlangt vom Vorstand, weniger den Abbau von Stellen in den Blick zu nehmen, sondern stärker das Verbessern von Prozessen und Strukturen. Hier schlummert Konfliktpotenzial.

Kleiner geworden ist das Aufgabenheft für den Vorstand mit der Abspaltung des Nutzfahrzeuggeschäfts. Er kann sich nun ganz auf die Pkw und Transporter konzentrieren. Nach außen ist das mit der Umbenennung in Mercedes-Benz Group sichtbar geworden. Der Name Daimler lebt nur noch im Lkw- und Buskonzern weiter.

Die kräftig gestiegene Profitabilität des Geschäfts mit Pkw und Transportern weckt Begehrlichkeiten der Aktionäre. Schließlich hatte der Vorstand vor einiger Zeit angedeutet, dass sich die Margen in diesem Jahr weiter erhöhen sollen. Trotz des Chipmangels profitieren Mercedes-Benz und die meisten anderen Autohersteller nach wie vor von der günstigen Marktsituation. Diese Chance sollten sie weiterhin nutzen. Denn die Transformation zur Elektromobilität ist eine große und teure Aufgabe. Das Geld dafür lässt sich jetzt verdienen und weniger, wenn die Nachfrage irgendwann wieder nachlässt. (Börsen-Zeitung,

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