Paris

Konvois unterwandern den Wahlkampf

Acht Wochen vor den Präsidentschaftswahlen beobachten die Kandidaten aufmerksam den Zulauf der „Convois de la Liberté“. In ihren Reihen finden sich weniger Trucker denn Gelbwesten, Impfgegner und Rechtsextreme.

Konvois unterwandern den Wahlkampf

Es ist der vermutlich am meisten gefürchtete Kreisverkehr Frankreichs, zumindest bei Versicherungen und ausländischen Touristen. Denn Autos und Motorräder strömen von allen Seiten im regen Tempo in den Kreisel, der den Arc de Triomphe umfließt. Normalerweise. An diesem Wochenende nämlich ist es Hunderten von Wohnmobilen, Pkw und Lieferwagen gelungen, den berüchtigten Kreisverkehr vorübergehend zu blockieren und dort, von einem Hupkonzert begleitet, die Trikolore und Plakate mit der Aufschrift „Liberté“ zu schwenken. Sie waren Teil der Protestkonvois, die vorige Woche aus allen Teilen Frankreichs aufgebrochen sind, um in der Hauptstadt nach dem Vorbild der kanadischen Truckerproteste gegen die Corona-Beschränkungen und den Impfpass zu protestieren.

Aber nicht nur, denn die französischen „Convois de la Liberté“ richten sich auch gegen den starken Anstieg der Energiepreise, den Verlust der Kaufkraft und gegen Präsident Emmanuel Macron. Es sind denn auch weniger Trucker denn Vertreter der Gelbwesten-Protestbewegung, Impfgegner und Rechtsextreme, die sich an ihnen beteiligen. Die Proteste seien auch eine Warnung an das künftige Staatsoberhaupt, dass dem Volk zugehört werden müsse, sagte einer der Teilnehmer. Die Leute hätten die Nase voll von dem politischen System. Die Regierung beschneide die Freiheitsrechte der Bürger und behandle diejenigen, die sich nicht impfen ließen, wie Bürger zweiter Klasse, kritisierte ein Paar. Dabei seien sie es, die die Steuern zahlten und das System am Laufen hielten. Frankreich sei das Land der Menschenrechte, erklärte ein Vater. Er habe seine zwei Kinder mit zu den Protesten gebracht, um ihnen zu zeigen, dass es kein Land der Mitläufer sei.

Acht Wochen vor der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen kommt den sogenannten Freiheitskonvois eine besondere Bedeutung zu. Der Polizeipräfekt von Paris hatte sie in der Hauptstadt verboten und Freitag bis Montag 7500 Polizeibeamte mobilisiert, die Zufahrtsstraßen und symbolische Orte wie die Champs-Élysées kontrollierten. Auch wenn das befürchtete Chaos weitgehend ausgeblieben ist, ist es einigen der mehreren tausend Fahrzeuge des Protestkonvois gelungen, ins Zentrum von Paris zu fahren. Fast hundert Personen wurden Samstag vorübergehend festgenommen, darunter Jérôme Rodrigues, einer der Anführer der Gelbwesten-Bewegung. Einige Teilnehmer der Protestkonvois wollten Montag nach Brüssel und Straßburg weiterfahren.

Die Protestbewegung interessiere einige der Präsidentschaftskandidaten und ängstige andere, meint der Fernsehjournalist Jean-Christophe Galeazzi. „Alle Kandidaten beobachten sehr aufmerksam eine mögliche Aggregation der Unzufriedenheit.“ Während Marine Le Pen vom rechtsextremen Rassemblement National und Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon von La France Insoumise der Protestbewegung ihre Unterstützung aussprachen, rief Macron auf, Ruhe zu bewahren. Macron sei der Kandidat, der seinen Wahlkampf mit Panzerfahrzeugen beginne, pestete Le Pen. Das erinnere an seine bisherige Amtszeit, die von Chaos, Unruhe, Konflikten und der Spaltung der Bevölkerung geprägt sei, sagte sie in Anspielung auf die Proteste der Gilets Jaunes im Winter 2018/19 und die Proteste gegen die Rentenreform im Winter 19/20. Die Protestkonvois seien Ausdruck einer gewissen Müdigkeit der Bevölkerung, urteilen einige Beobachter. Damit steige die Gefahr, dass sich viele Bürger nicht an den Präsidentschaftswahlen im April beteiligten.

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Trotz des Frusts, dass die Pandemie andauert, ist den Franzosen die Lust aufs Feiern offenbar nicht abhandengekommen. So sind die Champagner-Verkäufe 2021 mit 140 Mill. Flaschen auf ihr Vorkrisenniveau zurückgekehrt. Im Exportgeschäft konnte die Branche ihre Verkäufe im Vergleich zu 2019 sogar um 15% auf 180 Mill. Flaschen steigern und einen Rekordumsatz von 5,7 Mrd. Euro verbuchen, gab das Comité Interprofessionnel du Vin de Champagne bekannt. Wichtigster Exportmarkt 2021 waren die USA mit 34 Mill. Flaschen, gefolgt von Großbritannien (29 Mill. Flaschen), Deutschland (15 Mill. Flaschen) und Belgien (11 Mill. Flaschen).