Linksruck in den Ländern
Wahlergebnisse treiben oft seltsame Blüten. Ausgerechnet die Linke, die bei den Wahlen im Bund, in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin am 26. September einen herben Schlag erlitten hat, dürfte nun in den Ländern an die Macht kommen. Der Stimmenverlust im Bund war so gewaltig, dass die Partei nicht einmal über die Fünf-Prozent-Hürde gelangte. Den Wiedereinzug in den Bundestag und den Status als Fraktion verdankt sie nur dem Umstand, drei Direktmandate gewonnen zu haben. Gregor Gysi und Gesine Lötzsch holten es in Berliner Wahlkreisen, Sören Pellmann in Leipzig. In Marzahn-Hellersdorf in Berlin verlor Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau ihr seit 1998 verteidigtes Direktmandat ausgerechnet an den CDU-Kandidaten. Marzahn und Hellersdorf gelten mit ihren trostlosen Plattenbauten aus DDR-Zeiten als Inbegriff der vom sozialistischen Aufbruch gezeichneten Bezirke. Sogar 2002, als die SED-Nachfolgerin PDS den Einzug in den Bundestag verpasste, hatten Pau und Lötzsch ihre Direktmandate gewonnen und zu zweit fraktionslos tapfer die Stellung gehalten. 2005 ging die Linke aus PDS und dem abgespaltenen linken Flügel der SPD hervor.
Der linke Flügel der SPD träumt seither davon, mit einem rot-rot-grünen Bündnis wieder den Kanzler zu stellen und die Richtung der Politik zu bestimmen. Dass im Bund nun Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP zu einem Ampel-Bündnis beginnen, hängt maßgeblich auch mit dem schlechten Abschneiden der Linken zusammen. Rot-Rot-Grün kommt im Bund auf keine Mehrheit.
Auch in den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin hat die Linke geblutet – und wird dafür nun mit Regierungsbeteiligung belohnt. Die überragende Wahlsiegerin im Norden, Manuela Schwesig (SPD), gibt die rot-schwarze Koalition auf. Die Landes-CDU ist dort geschwächt und führungslos. Mit der noch kleineren Linken regiert es sich für Schwesig leichter und stabiler. Grüne und FDP sind erst wieder neu im Landtag und noch zu klein. Mit der AfD will keiner regieren – nirgendwo.
In Berlin hatte die Anwärterin auf das Amt des Regierenden Bürgermeisters auf ein bürgerliches Bündnis gesetzt. Die knappe Wahlsiegerin und frühere Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) muss nun die Fortsetzung eines rot-grün-roten Bündnisses verhandeln. Druck machen der linke Flügel in der Berliner SPD und die starken Grünen. Sie stehen hinter dem Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen unter Marktwert. Giffey lehnt das ab. 60% der Berliner sind unzufrieden mit Rot-Grün-Rot. Schlecht arbeitende Bürgerämter und teure Wohnungen mit einem gescheiterten Mietendeckel sind nur wenige der Kritikpunkte. Dass die Landeswahlleiterin nun selbst die Abstimmung anficht, weil Stimmzettel vertauscht bzw. falsch ausgehändigt wurden oder fehlten und in der vom Marathon lahmgelegten Stadt nicht ausreichend nachgeliefert werden konnten, ist ein weiterer trauriger Punkt in der rot-grün-roten Bilanz. Im Bundesrat hätten mehr bürgerliche Bündnisse der Ampel im Bund geholfen. Danach sieht es nun nicht aus.