Rechenzentren locken neue Investoren an
Rechenzentren locken neue Investoren an
Heute sind Rechenzentren in erster Linie im Fokus von Infrastrukturinvestoren. Doch jetzt beginnen auch große Immobilien- Assetmanager damit, Milliarden in den Sektor zu stecken. Sie könnten in Zukunft den Private-Equity-Firmen die Anteile abkaufen.
Von Thomas List, Frankfurt
Daten sind der heiß begehrte Rohstoff unserer Zeit. Sie müssen gesammelt, gespeichert und verarbeitet werden: Dazu sind Rechenzentren (engl. Data Center) unverzichtbar. Der Bedarf an solchen Rechenzentren steigt kräftig. Denn vor dem Hintergrund veränderter Arbeitswelten infolge der Corona-Pandemie (Homeoffice, mehr Videokonferenzen) und des Aufkommens der generativen künstlichen Intelligenz (KI) wachsen die Datenmengen exponentiell. Nach Prognosen werden Verbraucher und Unternehmen in den nächsten fünf Jahren doppelt so viele Daten erzeugen wie in den vergangenen zehn Jahren zusammen.
Starkes Wachstum
Bei Rechenzentren soll die Speicherkapazität global in den kommenden fünf Jahren jährlich um 15,2% wachsen, so eine Prognose von Structure Research. Entsprechend werden Rechenzentren immer leistungsfähiger. Lag die IT-Anschlusskapazität vor zehn Jahren noch unter 10 Megawatt (MW), wollen heute einige Entwickler schon Rechenzentren mit mehr als 100 MW bauen.
Bisher werden solche Rechenleistungen in erster Linie in den Hauptstädten installiert. Ausnahme ist Frankfurt als zentraler Bankenstandort Deutschlands. Hier bestehen die größten Rechenkapazitäten Kontinentaleuropas. Die wichtigsten Standortfaktoren sind für Rechenzentren eine verlässliche Stromversorgung, eine leistungsfähige Glaserfaserleitung und ein gut erreichbares Grundstück in einer (natur)katastrophenfreien Umgebung.
Der Energieverbrauch eines Rechenzentrums ist sehr hoch. Nach Schätzungen werden deutsche Data Center in diesem Jahr fast 20 Mrd. Kilowattstunden (kWh) verbrauchen. 2015 waren es noch 12 Mrd. kWh. 2022 verbrauchte Berlin 12,5 Mrd. kWh. Im Rahmen der Energiewende wird es hier zu Einsparungen kommen müssen.
Engpass in Frankfurt
Einstweilen ist aber die Stromversorgung vorwiegend in Frankfurt ein Engpassfaktor. So soll bis 2030 keine weitere Kapazität mehr pauschal zur Verfügung stehen, da die vorhandene bereits vollständig verplant sei. Zwar bauen die Stromnetzbetreiber ihre Kapazitäten massiv aus. Doch werden sie für den Ausbau der E-Mobilität und die vermehrte Nutzung von Wärmepumpen auch gebraucht.
So hat PGIM Real Estate erst vor Kurzem ein Grundstück für die Entwicklung eines Rechenzentrums bei München erworben, explizit mit dem Hinweis, dass das kurzfristige Entwicklungspotenzial in Frankfurt begrenzt sei. Der Clou in München ist Stromversorgung von insgesamt 30 Megavoltampere (MVA), die im Rahmen des Kaufprozesses gesichert werden konnte.
Auch in Berlin als zweitgrößtem deutschen Rechenzentrumsstandort gelten die Stromkapazitäten als angespannt, wenn auch nicht so stark wie am Main. Im Berliner Umland steht Strom noch zur Verfügung, nicht zuletzt durch viele Windparks in Brandenburg.
Entspannte Standortfrage
Bei KI-Rechenzentren deutet sich hingegen eine Entspannung in der Standortfrage an. Denn für Anwendungen rund um KI ist die Nähe zu den Datenknoten mit entsprechend niedrigen Latenzzeiten nicht mehr unbedingt erforderlich. Offene Anwendungen wie ChatGPT können von allen genutzt werden, sind also nicht geschützt. Unternehmen wollen hingegen KI exklusiv nutzen, sie setzen also auf geschlossene Systeme. Für die eigene KI brauchen sie mehr dezentrale Rechnerleistungen, denn schnelle Reaktionszeiten sind nur durch räumlich nahe Rechenzentren gewährleistet.
So hat Microsoft im Februar dieses Jahres angekündigt, in den kommenden zwei Jahren 3,2 Mrd. Euro in den Ausbau ihrer KI-Infrastruktur und Cloud-Kapazitäten in Frankfurt und in Nordrhein-Westfalen investieren zu wollen. Damit dürfte das Bundesland der drittgrößte Markt nach Frankfurt und Berlin werden.
Datenschutz befeuert Wachstum
Befeuert wird dieses Wachstum durch die Gesetzgebung zum Datenschutz. In der EU gilt die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Da diese seit dem Brexit in Großbritannien nicht mehr gilt, hat London als Data-Center-Standort an Attraktivität eingebüßt. Davon profitiert nicht zuletzt Frankfurt.
Das starke Wachstum der Rechenzentren ist ohne viel Kapital nicht möglich. Das Investmentvolumen beziffert Dominic Thoma, Co-Head of Industrial & Logistics Investment JLL Germany, auf 10 bis 12 Mill. Euro pro Megawatt (MW). Rechenzentren haben in üblicher Größe 10 bis 50 MW Anschlussleistung. Für mehr reicht die Stromkapazität, aber auch der Platz mitten in den Ballungsgebieten in der Regel nicht aus, im Umland und darüber hinaus sind mit rechtzeitiger Planung deutlich größere Kapazitäten auch schon mal oberhalb der 100 MW möglich.
Rechenzentren werden heute meist auf Initiative von Data-Center-Betreibern errichtet, die sich mit großen Kapitalsammelstellen oder Private-Equity-Häusern wie KKR, Blackstone und Macquarie zusammentun. Sie stellen das Kapital bereit. So wurde im November 2023 eine Kooperation von Vantage und Meag bekannt. Der Assetmanager der Munich Re hat sich für 2,5 Mrd. Euro an einem Portfolio von sechs Rechenzentren beteiligt.
Immobilienfokus kommt noch
Rechenzentren sind heute noch in erster Linie im Fokus von Infrastrukturinvestoren. Ihre Immobilienkollegen sind nach Beobachtung von Thoma erst dabei, sich den Markt zu erschließen. „Denn neu erstellte Rechenzentren als klassische Immobilieninvestmentprodukte sind auf dem Markt noch gar nicht so häufig verfügbar“, so der JLL-Manager. Laut Studie wurden in den vergangenen fünf Jahren Liegenschaften mit Rechenzentrumsbezug für insgesamt etwa 3 Mrd. Euro umgesetzt, Tendenz stark steigend. Überwiegend finden jedoch derzeit vor allem Ankäufe von Grundstücken und Bestandsimmobilien zur Umnutzung, Neubauentwicklung etc. für Data Center statt.
Die Renditen scheinen durchaus interessant zu sein. So gibt JLL für einen „fully fitted“ Neubau (eine Anlage, die komplett ausgestattet ist und nach Mieterspezifikationen betrieben wird), der langfristig an einen Hyperscaler (wie Amazon, Microsoft und Google) vermietet ist, eine Nettoanfangsrendite von etwa 5,5% an. Klassische Nutzungsarten wie Büros, Logistik und Wohnen liegen deutlich darunter.
Für Thoma bleibt es spannend, wie sich in den kommenden Jahren der Markt für Immobilientransaktionen mit Rechenzentren entwickeln wird. „Zwei Möglichkeiten sind denkbar: Entweder wird das vorwiegend vom Betreiber entwickelte Rechenzentrum zusammen mit einem Mietvertrag belegt und als klassische Immobilientransaktion verkauft. Das wären dann Sale-and-lease-back-Immobilientransaktionen, die auch als Forward Deals möglich sind.“
Kapitaleinsatz plus Rendite
Alternativ wäre laut Thoma aber auch möglich, dass die Plattformen der Betreiber oder deren Investoren gar kein Interesse an Einzelverkäufen der Immobilien haben werden und sich nur rekapitalisieren möchten, sprich die Private-Equity-Häuser erhalten ihren Kapitaleinsatz plus einen Ertrag/Rendite über den Verkauf ihrer Anteile an dem Betreiber bzw. der Plattform oder einen Börsengang zurück. „Das kann ein sehr wahrscheinlicher Weg sein“, glaubt Thoma.
Bis hier die Richtung klar wird, wird es aber noch dauern. Denn aktuell sind viele Rechenzentren erst projektiert oder in Bau. „Im Moment ist genügend Kapital aus Private-Equity-Quellen oder Infrastruktur-Fonds vorhanden. Rekapitalisierung ist also noch nicht erforderlich.“
Zunehmende Rekapitalisierungen
In den kommenden drei bis fünf Jahren dürften viele Data Center fertiggestellt werden. Da Private Equity häufig drei bis fünf Jahreszyklen unterliegen, dürfte es dann auch vermehrt zu Rekapitalisierungen kommen und es dürften sich entsprechende Opportunitäten für Investoren eröffnen. Das könnten dann vor allem große Häuser, offene Immobilienfonds und Spezialfonds sein, da Einzelinvestments aufgrund der hohen Investitionskosten häufig über 100 Mill. Euro liegen werden.