KommentarFranzösische Regierung

Macrons kühner Joker Attal

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zieht mit der Ernennung Gabriel Attals als neuem Regierungschef seinen besten Joker, um seine zweite Amtszeit wieder anzukurbeln. Dennoch ist seine Entscheidung ein kühner Schritt.

Macrons kühner Joker Attal

Regierung Frankreich

Macrons kühner Joker Attal

Von Gesche Wüpper

Noch nicht einmal zwei Jahre nach seiner Wiederwahl versucht Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron den Befreiungsschlag. Er hofft, dass sein neuer Premierminister Gabriel Attal ihm und der Regierungspartei Renaissance im Olympia-Jahr zu neuem Schwung verhilft – vor allem bei den Europa-Wahlen im Juni.

Es sind die ersten größeren Wahlen seit Beginn der zweiten Amtszeit Macrons. Und es geht bei ihnen um ein Thema, das der Regierungspartei am Herzen liegt. Frankreichs neuer Premier und sein Team müssen nun punkten, um den Schaden zu begrenzen, denn in den Umfragen liegt das rechtsextreme Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen weit vorn.

Mit der Regierungsumbildung will Macron wieder durchstarten, nachdem 2023 erst die Rentenreform und dann die Reform der Einwanderungsgesetze nicht nur die Bevölkerung, sondern auch die Regierungspartei gespalten haben. Ursprünglich waren Beobachter davon ausgegangen, dass das Staatsoberhaupt erst nach den Europa-Wahlen eine größere Regierungsumbildung vornehmen würde, um die zweite Hälfte seiner letzten Amtszeit einzuleiten.

Doch die fehlende absolute Mehrheit im Parlament hat früher ihren Tribut gefordert als gedacht. Macrons bisherige Premierministerin Élisabeth Borne war zerschlissen, nachdem sie mangels Mehrheit immer wieder auf Artikel 49.3 der Verfassung zurückgreifen musste, um Gesetze ohne Abstimmung des Parlaments zu verabschieden.

Attal ist zweifelsohne der beste Joker, den Macron nach dem holprigen Start seiner zweiten Amtszeit ziehen konnte. Er ist derzeit der in Umfragen beliebteste Politiker Frankreichs und das Regierungsmitglied, dem Beobachter zutrauen, dem aufstrebenden RN-Star Jordan Bardella bei den Europa-Wahlen die Stirn bieten zu können.

Attal ist jung, dynamisch, charmant und redegewandt. Einige sehen in ihm sogar eine Art Wiedergeburt Emmanuel Macrons von 2017. Obwohl Attal seine politische Karriere bei den Sozialisten begann, zeigt er sich offen für Ideen aus dem konservativen Lager. Hoffnungen, dass es dem neuen Premier gelingen kann, das gespaltene Frankreich zu einen, sind also durchaus berechtigt.

Und doch ist die Ernennung Attals ein kühner Schritt. Denn der jüngste Regierungschef der V. Republik muss wie seine Vorgängerin ohne absolute Mehrheit regieren, zumal er noch kein politisches Schwergewicht ist. Ihm muss nun gelingen, was Macron seit seiner Wiederwahl 2022 nicht gelungen ist: einen klaren Regierungskurs definieren.

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