KolumneUnterm Strich

Management by Gummistiefel

Der Klimawandel führt zu immer mehr Extremwetterereignissen wie Hochwasser. „Management by Gummistiefel“ reicht nicht. Mehr Prävention und höhere Versicherungsdichte sind nötig.

Management by Gummistiefel

Management by Gummistiefel

Von Claus Döring

Der Klimawandel führt zu immer mehr Extremwetterereignissen wie Hochwasser. „Management by Gummistiefel“ reicht nicht. Mehr Prävention und höhere Versicherungsdichte sind nötig.   

Ministerpräsidenten und auch Bundeskanzler sollten ihre Gummistiefel immer griffbereit haben. Denn es gibt wenig geeignetere Anlässe, sich dem Wähler als Kümmerer und Macher zu präsentieren, als beim Staken durch Hochwasser und Matsch. Das haben dem zunächst zögerlichen Olaf Scholz dessen Berater inzwischen beigebracht. Denn die richtige Inszenierung als Flutenbekämpfer entscheidet über Kanzlerkarrieren, wie einst Helmut Schmidt und Gerhard Schröder erfahren durften und im letzten Bundestagswahlkampf auch Scholz-Konkurrent Armin Laschet. Doch Lachen zur falschen Zeit, wenn überhaupt, ist bei Scholz ein Risiko wie Hochwasser auf der Zugspitze.

„Wir werden niemanden alleine lassen“, sprach denn der Bundeskanzler in die Kameras der die Wasserreise begleitenden TV-Teams, ganz im Sinne seines schon früher in Regierungserklärungen gern zitierten Spruches „You´ll never walk alone“. Dass da am Ende wenig für die Betroffenen herauskommt, interessiert Öffentlichkeit und Politik später kaum noch. Denn mit sinkenden Pegelständen versickert auch das Medieninteresse und erst recht der politische Handlungsdruck zu präventiven Maßnahmen gegen Hochwasser- und andere klimabedingt zunehmende Unwetterschäden, wie auch die Bereitschaft, dem Volk eine Pflichtversicherung für Elementarschäden zuzumuten.  

Letztere ist nach den Flutkatastrophen 2002, 2013 und 2021regelmäßig gefordert, in Arbeitsgruppen diskutiert und empfohlen und genauso regelmäßig vom Bundesjustizministerium beziehungsweise der jeweiligen Bundesregierung abgelehnt oder auf die lange Bank geschoben worden. Das Hauptargument: Eine Versicherungspflicht sei verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn die Verhältnismäßigkeit berücksichtigt werde, also der Grundsatz der risikobasierten Prämienkalkulation gelte. Die Wahrscheinlichkeit eines Schadens und seine zu erwartende Höhe müssten sich im Versicherungsbeitrag spiegeln. Das freilich ist politischer Sprengstoff. Denn für jenes gut eine Prozent aller Gebäude, die laut Versichererverband GDV in gefährdeten Gebieten stehen, wären extrem hohe Versicherungsprämien die Folge, die kaum ein Haushalt leisten könnte. Die Alternative, eine solidarische Quersubventionierung, wird von Politikern als sozial- und wirtschaftspolitisch kaum vertretbar eingeschätzt, weil Hauseigentümer und in der Folge auch Mieter dann mit erheblichen zusätzlichen Belastungen zu rechnen hätten – ungeachtet der ohnedies steigenden Energie- und sonstigen Betriebskosten. Der GDV rechnet bereits jetzt aufgrund der absehbaren Klimafolgen mit einer Verdoppelung der Prämien für Wohngebäudeversicherungen in den nächsten zehn Jahren.

Wie könnte nun die Kuh vom Eis beziehungsweise aus dem Wasser kommen? Erstens: Bund, Länder und Gemeinden müssen mehr für Prävention tun, insbesondere in der Infrastruktur. Studien in den USA haben ergeben, dass jeder in Prävention investierte Euro zu sechs Euro weniger Schäden führt. Prävention beginnt im Bau- und Wasserhaushaltsrecht und reicht bis zur kommunalen Bauplanung. So werden alljährlich rund 1.500 neue Gebäude in hochwassergefährdeten Gebieten genehmigt und gebaut. Beispiel Ahrtal: Nach der Flutkatastrophe wurden bis auf 34 Häuser alle anderen Gebäude wieder am alten Standort errichtet. Ein Bauverbot in Überschwemmungsgebieten wäre ein erster wichtiger Schritt. Zweitens: Wissenschaftler wie auch Versicherungsexperten haben Vorschläge erarbeitet, um die Versicherungsdichte für Elementarschäden von derzeit nur der Hälfte der 19 Millionen Wohngebäude in Deutschland zu steigern – ob als Basis-Pflichtversicherung für alle oder mit Opting-out-Option. Es lassen sich verfassungsrechtliche Aspekte ebenso berücksichtigen wie das Moral-Hazard-Problem. Es braucht nur noch den politischen Willen zur Umsetzung und die Bereitschaft, auf Gummistiefel und medienwirksame Ad-hoc-Hilfsversprechen zu verzichten.

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