Mangel an Perspektive
Für Henkel läuft es derzeit gar nicht. Das Kosmetik-Geschäft mit seinen größtenteils schwachen Marktpositionen ist eine Dauerbaustelle, in den USA bekommt der Konzern sein Markenartikelgeschäft seit längerem nicht recht in den Griff, die immens steigenden Rohstoffkosten belasteten schon 2021 und der Ukraine-Krieg trifft den Persil-Produzenten stärker als manch direkten Wettbewerber.
In der Folge ist der Aktienkurs dramatisch unter Druck. In den vergangenen zwölf Monaten ist die Henkel-Notierung um gut ein Drittel gesunken – der Dax verlor im gleichen Zeitraum nur 5%. Und so findet sich der Klebstoff- und Shampoo-Hersteller erstmals auf der Schmuddelkind-Liste der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz wieder: auf Platz 30 der größten Underperformer des vergangenen Jahres.
Enttäuschend nennt das auch die Henkel-Führung, da gebe es nichts zu beschönigen, hieß es auf der Hauptversammlung. Doch enttäuschend ist bisher auch die Reaktion auf die Misere. Was Henkel derzeit fehlt, ist eine überzeugende Perspektive. Die Planungen des Vorstands für die Zusammenlegung der Markenartikel-Geschäfte sind bislang Grobskizzen. Die Argumente des Vorstands stechen nicht, weil sie größtenteils aus plakativen Buzzwörtern wie Effizienz, Synergien und Plattformvorteilen bestehen, die aber noch nicht mit Inhalt gefüllt wurden. Anfang Mai soll es endlich so weit sein und der Vorstand will weitere Details liefern. Mit dem internen Umbau jedoch halst sich Henkel eine weitere Baustelle auf, während das US-Problem immer noch nicht nachhaltig gelöst zu sein scheint.
Dazu kommt die wachsende Kritik am Russlandgeschäft. Henkel hält an der Produktion in Putins Land uneingeschränkt fest, das haben Vorstandschef und Aufsichtsratsvorsitzende am Tag, nachdem die verstörenden Bilder aus Butscha in die deutschen Wohnzimmer flimmerten, bekräftigt. Eine Konzernführung, die so gern und oft von Werten redet wie Henkel, macht sich damit zu Recht angreifbar – vor allem, wenn direkte Wettbewerber schon längst weitergehen und wenigstens Teile ihrer Geschäftsaktivitäten einstellen und Hersteller aus anderen Branchen ihre Produktion in Russland gestoppt haben.
Klare Ansagen der Henkel-Führung in die eine und die andere Richtung wären dringend nötig. Überzeugende Inhalte könnten das aktuelle Defizit an Perspektive auffangen. Am Geld wird es nicht scheitern. Die finanziellen Mittel von Henkel sind trotz der aktuellen Probleme üppig.