Notiert inMadrid

Mehr Gastronomie wagen

Alle Zweige rund ums Essen und Trinken machen in Spanien gut ein Viertel der Wirtschaftsleistung aus. Nun kommt noch ein Strategieplan.

Mehr Gastronomie wagen

Notiert in Madrid

Mehr Gastronomie wagen

Von Thilo Schäfer

In Spanien läuft gefühlt zu jeder Tageszeit auf irgendeinem Fernsehkanal ein Programm rund ums Essen. Kochwettbewerbe wie „Masterchef“ und dessen zahlreiche Kopien erfreuen sich anhaltend großer Beliebtheit, ebenso wie klassische Kochshows, etwa des baskischen Dauerbrenners Karlos Arguiñano. Hinzu kommen Programme am Nachmittag und Vorabend mit Reportagen aus allen Ecken des Königreichs, wo Einheimische die Vorzüge der regionalen Küche preisen und uralte Familienrezepte verraten. In Madrid kann man schnell den Überblick über die vielen Neueröffnungen von Restaurants verlieren. Kein Zweifel, in Spanien isst und trinkt man so gut wie noch nie. Die Qualität der heimischen Produkte steigt im Gleichschritt mit dem Export dieser Produkte.

Die Beratungsfirma KPMG hat im Auftrag der Real Academia de Gastronomía nun erneut das Gewicht aller Branchen rund ums Essen und Trinken berechnet, welche die offiziellen Statistiken des Bruttoinlandsproduktes so nicht hergeben. Dabei kommen die Experten, wenn sie Landwirtschaft und Produktion von Lebensmitteln samt Vertrieb, Verkauf und Gastgewerbe zusammenrechnen, auf eine Bruttowertschöpfung von insgesamt 375 Mrd. Euro. Das entspricht ungefähr 27% der spanischen Wirtschaftsleistung. Bei der Beschäftigung zählt KPMG 3,7 Millionen direkte Jobs, plus 2,9 Millionen indirekte Stellen, was 37% der Erwerbstätigen im Lande ausmacht. Doch trotz einer Arbeitslosenquote von gut 11% klagt man in der Gastronomie nach wie vor über einen Mangel an Arbeitskräften. In Madrid und anderswo suchen Restaurants, Bars und Kaffees mit Stellenanzeigen an der Tür nach Mitarbeitern und Aushilfen.

Die moderne spanische Küche ist seit einiger Zeit kein Geheimnis mehr. Die Top-Chefs müssen schon seit langem nicht mehr neidisch nach Frankreich oder Italien blicken. Denn spanische Restaurants belegen Jahr für Jahr Spitzenplätze in den diversen Rankings von Gourmet-Magazinen. Der Michelin-Führer hat im Lande 291 Sterne verteilt, davon 16 Restaurants mit drei Sternen, was weltweit Rang 3 bedeutet. Längst ist die Gastronomie ein entscheidender Faktor im Tourismusgeschäft geworden. Nicht nur die Zahl der ausländischen Besucher ist auf Rekordstand. Die Gäste geben auch immer mehr aus. Im Schnitt waren es im Jahr 2023 pro Person 202 Euro am Tag gegenüber 172 Euro in 2020. Ein Menü in einem Sternerestaurant ist aber immer noch günstiger als etwa in Deutschland oder Frankreich.

„Wir sind eine Macht im Agrar- und Lebensmittelbereich, aber wir müssen uns dessen noch bewusst werden“, erklärte Landwirtschaftsminister Luis Planas am Montag auf der Präsentation der Studie in der Real Academia de Gastronomía. Starkoch Ferran Adrià, dessen einstiger Gastronomietempel El Bulli als bestes Restaurant der Welt galt, stimmte der Analyse zu und forderte einen nationalen Strategieplan. Minister Planas versprach, noch diesen Monat zu liefern.

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