LeitartikelGroßbritannien sucht Investoren

Timing ist alles für Labour

Die Labour-Schatzkanzlerin Rachel Reeves hat keinen guten Moment erwischt, um Investitionen einzuwerben. Doch die Rahmenbedingungen sind gut.

Timing ist alles für Labour

Staatsfonds

Timing ist alles für Labour

Von Andreas Hippin

Rachel Reeves hat keinen guten Moment erwischt, um Investoren zu begeistern. Die Rahmenbedingungen sind aber gut.

Die britische Schatzkanzlerin Rachel Reeves hat sich einen schlechten Moment dafür ausgesucht, Investoren in New York und Toronto davon zu überzeugen, dass Großbritannien unter Labour ein Hort der Stabilität ist. Zum einen verdauen die Weltbörsen bei ihrer Ankunft in den Vereinigten Staaten einen Schwächeanfall. Zum anderen werden die Armutsregionen des Vereinigten Königreichs von Unruhen erschüttert, die wenig Mut für die Zukunft machen.

Bis zum großen internationalen Investitionsgipfel am 14. Oktober, zu dem Premierminister Keir Starmer und Reeves 300 Vertreter der Wirtschaft eingeladen haben, werden die Probleme nicht ausgeräumt sein. Das Timing ist also denkbar schlecht. Dabei wollte man angesichts der instabilen Verhältnisse in Frankreich und den Vereinigten Staaten damit werben, dass Labour im Unterhaus über eine alles andere erdrückende Mehrheit verfügt.

Mehr Mitsprache

Zumindest der Finanzbranche werden in London unter Labour attraktive Rahmenbedingungen geboten. So oft wie unter der neuen Regierung saßen ihre Vertreter bei wichtigen Entscheidungen selten mit am Tisch. Ein Beispiel dafür ist Mark Carney, der als ehemaliger Gouverneur der Bank of England vorgestellt wird, wenn es darum geht, seine Mitgliedschaft in einer Taskforce für den neu eingerichteten britischen Staatsfonds zu erklären.

In seinem aktiven Leben ist Carney Chairman des Vermögensverwalters Brookfield Asset Management aus Toronto, wo Reeves diese Woche Station macht. Zu den Kernthemen von Brookfield gehören Infrastruktur und das vermeintlich saubere Energiesystem der Zukunft, in das der National Wealth Fund investieren soll.

Auf Kosten der Verbraucher

Der Taskforce gehören auch die Bosse von Aviva, Barclays und anderen institutionellen Anlegern an. Denn Ziel der Regierung ist, privaten Investoren politische Gewissheit zu geben. Das soll die nötigen Gelder für die Vorhaben von Energieminister Ed Miliband mobilisieren. Der Staatsfonds selbst ist mit gerade einmal 7,3 Mrd. Pfund an frischem Geld eher schwach auf der Brust. Für große Würfe hat die Labour-Regierung nicht den nötigen finanziellen Spielraum.

Miliband wird Offshore-Windkraftinvestoren höhere Abnahmepreise garantieren müssen. Sonst wird sein Ziel der Dekarbonisierung der Stromversorgung bis 2030 auf keinen Fall erreicht. Damit steigen auch die Energierechnungen. Die Verbraucher, denen Labour sinkende Energiepreise versprach, werden erst in fünf Jahren wieder zur Stimmabgabe gebeten.

Zulasten des Anlegerschutzes

Die Arbeit an den unter der Vorgängerregierung angeleierten Kapitalmarktreformen geht nahtlos weiter. Die Reform des Listing-Regimes der London Stock Exchange wird Börsengänge an der Themse attraktiver machen. Was den Marktinfrastrukturbetreiber, IPO-Kandidaten, ihre Banken, Anwälte und Berater glücklich macht, ist aber nicht unbedingt zum Vorteil der Anleger.

Duale Aktienstrukturen und die vereinfachte Genehmigung von Transaktionen mit nahestehenden Parteien mögen andernorts längst üblich sein. In Großbritannien standen bislang die Idee der Aktionärsdemokratie und der Anlegerschutz im Vordergrund. Und was soll es den Anspruchsberechtigten der betrieblichen Altersvorsorge bringen, wenn Pensionsfonds in von der Regierung definierte Wachstumsbranchen investieren?

Verbessertes Umfeld

Schon der konservative Schatzkanzler Jeremy Hunt träumte davon, die Pensionskassen anzuzapfen. Betriebsrentner, Kleinanleger und Verbraucher müssen sich warm anziehen. Für Investoren verbessert sich das Umfeld dagegen. Das gilt auch für die Infrastruktur. Höhere Wasserrechnungen sind weitaus wahrscheinlicher als eine Rückverstaatlichung der Versorger.

Wenn die Rezessionsängste wieder verflogen und die Trümmer in den Straßen Nordenglands weggeräumt sind, dürfte vielen Investoren erst auffallen, wie gut die Rahmenbedingungen in Großbritannien sind. Denn Klassenkampf führt Labour allenfalls von oben.

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