Ein Hauch von Nordkorea
Notiert in London
Ein Hauch von Nordkorea
Von Andreas Hippin
Wer Kinder hat, weiß um die Schwierigkeiten, diesen die Vorzüge einer gesunden Ernährung zu vermitteln. Das gilt vor allem für Ausflüge, bei denen sich die lieben Kleinen gerne frittierte Oreos und allerlei andere Dinge einverleiben, die es zuhause nicht gibt.
In Großbritannien verwaltet der National Trust viele Ausflugsziele, eine gemeinnützige Organisation, die sich dem Erhalt von Natur und dem Denkmalschutz verschrieben hat. Sie hat mehr als fünf Millionen Mitglieder und kümmert sich um mehr als 500 Standorte. Viele Freiwillige sind dort ehrenamtlich aktiv.
Pflanzenbasiertes Angebot
Die Entscheidung der Hauptversammlung, dass in den 300 Cafés und Imbissen des National Trust künftig die Hälfte des Menüs pflanzenbasiert sein soll, wird von vielen Mitgliedern als bevormundend empfunden. Wer endlich erwachsen geworden ist und selbst entscheiden kann, was er zu sich nimmt, will sich seine Bratwurst nicht von Aktivisten verbieten lassen.
Mit dem veganen Angebot will die Organisation vor allem jüngere, umweltbewusste Besucher ansprechen. Eier, Fleisch und Milchprodukte sind auch weiterhin Bestandteil der Speisekarte, versichert die Verwaltung des National Trust. Sie kann zudem darauf verweisen, dass der Kampf gegen den Klimawandel inzwischen zu den Zielen gehört.
„Modische, spaltende Ideologien“
Man könnte die mediale Aufregung um das Thema als Sturm im Wasserglas abtun. Schließlich gab es schon vorher ein großes veganes Angebot auf der Karte. Doch hat die sich wandelnde Ausrichtung des National Trust so viel Unbehagen unter den Mitgliedern hervorgerufen, dass sich vor drei Jahren die Initiative Restore Trust gründete. Sie will nach eigenem Bekunden nicht, dass die Organisation „modische, spaltende Ideologien“ verfolgt.
Und schon sind wir mitten im Kulturkampf, der in Großbritannien mit fast ebenso großer Intensität tobt wie in den Vereinigten Staaten. Wenn der ehemalige Wohnsitz von Winston Churchill, Chartwell in Kent, als Sklavenhalterresidenz beschrieben wird, ruft das nicht überall Beifall hervor. Kritik an dieser Form der Aufarbeitung der britischen Geschichte kam vom rechten Flügel der Tories, etwa von Jacob Rees-Mogg, dem im Unterhaus der Spitzname „the Honourable Member for the 18th Century“ anhaftet.
Reibungsloses Durchregieren
Problematisch wird es, wenn die Verwaltung des National Trust Mitgliedern die Möglichkeit gibt, en bloc über alle ihre Vorschläge abzustimmen. Jonathan Sumption, ein ehemaliger Richter des Obersten Gerichtshofs, nannte das Schnellverfahren eine „nordkoreanische Herangehensweise“.
Über den Vorschlag von Restore Trust, es abzuschaffen, wurde dieses Jahr gar nicht erst abgestimmt. Denn im vergangenen Jahr wurde er abgelehnt und kann deswegen erst 2027 wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden. Das ermöglicht der Verwaltung, reibungslos durchzuregieren. Das Politbüro in Pjöngjang würde es ebenso machen.