Im BlickfeldWertpapierhandel

Morgan Stanley reüssiert auf Easy Euwax

Seit anderthalb Jahren ist die Börse Stuttgart mit Easy Euwax am Start. Als Reaktion auf Zero-Fee-Anbieter im Wertpapierhandel sah man sich gezwungen, ein Preismodell nachzulegen, das ebenfalls ohne Börsenentgelt auskommt. Noch ist offen, ob das Kalkül aufgeht.

Morgan Stanley reüssiert auf Easy Euwax

Im Blickfeld

Morgan Stanley reüssiert auf Easy Euwax

Die Börse Stuttgart will mit einem neuen Preismodell die Zahl der gelisteten verbrieften Derivate reduzieren.

Seit anderthalb Jahren ist die Börse Stuttgart mit Easy Euwax am Start. Als Reaktion auf Zero-Fee-Anbieter im Wertpapierhandel sahen sich die Schwaben gezwungen, ein Preismodell nachzulegen, das ebenfalls ohne Börsenentgelt auskommt. Noch ist offen, ob das Kalkül aufgeht.

Von Thomas Spengler, Stuttgart

Easy Euwax ist zwar ein Spezialfall für verbriefte Derivate, dennoch steht das neue Entgeltmodell exemplarisch für die Effekte, die Neobroker auf die Bepreisung des Wertpapierhandels haben. Mit dem Aufkommen von Anbietern wie Trade Republic oder Finanzen.net Zero ab 2015 hat sich der Kampf um die Gewinnspannen im Wertpapierhandel nochmals verschärft. Hinzu kommen die Erfolge der gebührenfreien Plattformen Lang & Schwarz Exchange und Gettex, betrieben von den Börsen Hamburg und München, die auch Stuttgart dazu brachten, mit Easy Euwax ein börsliches Zero-Fee-Segment für den Handel mit verbrieften Derivaten einzuführen. „Aufgrund der immer enger werdenden Preisspannen sowie der Minimierung von Transaktionsgebühren lebt das Geschäft stärker denn je von gut gefüllten Orderbüchern“, sagt Dragan Radanovic, Chief Business Officer der Gruppe Börse Stuttgart und CEO der Börsentochter Euwax AG. Über ein Mehr an Orders sollen also Skaleneffekte erzielt werden. Gleichzeitig geht es der Börse Stuttgart darum, vom außerbörslichen Geschäft wieder mehr Volumen für das börsliche zurückzugewinnen.

Im Unterschied zum „Muttersegment Euwax“, das am 1. Juli seinen 25. Geburtstag feiert, verzichtet man bei „Easy Euwax“ auf ein börsliches Entgelt, erwartet aber von den Emittenten der verbrieften Derivate, dass sie erhöhte Listing-Gebühren bezahlen, womit die Börse die entgangenen Transaktionsentgelte zumindest teilweise kompensieren kann. Dabei spekuliert Radanovic darauf, dass ohne Transaktionsentgelt für den Endkunden die Zahl der Trades insgesamt steigen wird. Runter mit dem variablen Handelsentgelt, rauf mit den fixen Listing-Gebühren, so lautet also die Zauberformel der Börse Stuttgart. Da noch nicht klar ist, ob die Rechnung aufgeht, beobachten die Marktteilnehmer mit Argusaugen, wie sich ein Exklusivpakt zwischen dem Orderflow-Provider Comdirect und dem Emittenten Morgan Stanley entwickelt. Bei Orders, die über die Comdirect für auf Easy Euwax gelistete Produkte aufgegeben werden, fallen für Anleger weder Börsenentgelte noch Broker-Gebühren an.

Verschiebungen der Marktanteile

Tatsächlich zählt die Comdirect inzwischen mehr Kunden, die über die Börse handeln. „Es kommt dadurch aber nicht zu einer Verschiebung zulasten des außerbörslichen Handels, da es sich um ein zusätzliches Handelsaufkommen handelt“, sagt Björn Andersen, Bereichsleiter Brokerage bei der Comdirect. Das heißt, der Gesamtmarkt ist insgesamt größer geworden - also börslich wie außerbörslich. Nachdem der Monatsumsatz an der Euwax im Dezember 2022 kurz vor dem Launch des neuen Subsegments noch bei 2,2 Mrd. Euro lag, waren es im April 2024 rund 3,0 Mrd. Euro – ein Wachstumseffekt, den man der Marktentwicklung zuschreiben kann. Dennoch ergeben sich bei den an der Euwax agierenden Emittenten Verschiebungen bei den Marktanteilen – und zwar zugunsten von Morgan Stanley. Der US-Emittent ist neben den kleinen Instituten Raiffeisen Bank International (RBI) und Erste Group Bank das einzige Institut, das sich bisher auf Easy Euwax eingelassen hat – und wird dafür belohnt. Immerhin ist Morgan Stanley seit Einführung des Subsegments zum umsatzstärksten der 17 Emittenten an der Euwax avanciert und hat damit die Rivalen BNP Paribas und Société Générale von Platz 1 und 2 verdrängt. So kam Morgan Stanley im April auf einen Umsatz von knapp 500 Mill. Euro, was einem Anteil von gut 16% am Volumen ausgeführter Kundenorders entspricht. Noch im Januar 2023 lag der Emittent mit 300 Mill. Euro auf Platz 3. Das schmeckt nicht allen Akteuren im Emittentenlager der Euwax, wo mancher von der „Morgan-Stanley-Börse“ spricht.

Tatsächlich registriert Dirk Grunert für Morgan Stanley, dass das Listing auf Easy Euwax eine deutliche Zunahme des börslichen Handelsvolumens mit den eigenen verbrieften Derivate generiert, während sich der außerbörsliche Bereich nicht verändert habe. Ergo: Eine Kannibalisierung zwischen OTC- und börslichem Handel findet nicht statt. Vielmehr knöpft das Institut anderen Euwax-Emittenten Marktanteile ab. Vor diesem Hintergrund geht Grunert davon aus, dass sich 2024 mindestens noch ein weiterer großer Emittent auf Easy Euwax traut. Im Gespräch sei man jedenfalls mit allen, wovon die Hälfte ein großes Interesse zeige, versichert Radanovic von der Börse.

Jeder schaut auf den anderen

Emittenten, die sich weiterhin schwertun, soll über eine Nachbesserung des Gebührenmodells Easy Euwax schmackhaft gemacht werden. Durch eine Erhöhung der fixen Listing-Gebühren will Radanovic die Emittenten dazu animieren, die hohe Zahl der insgesamt 2,14 Millionen an der Euwax gelisteten Produkte einzudampfen. Schließlich werden höchstens rund 30% der strukturierten Papiere während ihrer Laufzeit überhaupt irgendwann mal gehandelt. Ein hoher IT-Aufwand für alle Marktteilnehmer ist die Folge. Daher will Radanovic die Emittenten motivieren, die Zahl der gelisteten Produkte langfristig zu senken und den Fokus stärker auf Produkte zu legen, die eher gehandelt werden.

Wie Grunert vorrechnet, führt Morgan Stanley pro Sekunde mehr als 100.000 Kalkulationen durch, um für alle 281.001 Produkte Preise publizieren zu können. Das sind mehr als fünf Milliarden Kalkulationen am Tag, die zwei Terabyte Speicherkapazität benötigen. Wer also durch eine Reduktion der Listings billiger anbieten kann, der gewinnt immer beim Kunden. Davon ist Grunert überzeugt. Dennoch dürfte das Unterfangen für die Euwax kein leichtes sein, schließlich wurde Ähnliches auch in der Vergangenheit schon vergeblich versucht. Von „altem Wein in neuen Schläuchen“, spricht daher ein Insider. Und so war es auch immer wieder die Börse selbst, die mit der Zahl ihrer Listings gerne ihre führende Rolle im börslichen Derivatehandel begründet hat. Inwieweit also die Emittenten auf Easy Euwax in der Breite einsteigen, muss sich erst noch zeigen. Im Moment jedenfalls schaut jeder genau darauf, was die anderen tun oder nicht tun - und wartet erstmal ab.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.