Nach dem Chaos ist vor dem Chaos
Pandemie, Vulkanasche, Terroranschläge. Kaum eine Branche reagiert so empfindlich auf externe Störungen wie der Luftverkehr. Und nun also ein Bagger. Vier von ihm an einer Baustelle durchtrennte Kabel sorgten dafür, dass am Flughafen Frankfurt am Mittwoch kaum noch was ging. Die Lufthansa musste Hunderte Flüge aussetzen, es entstand vermutlich ein hoher finanzieller Schaden. Taucht ein großflächiges Problem auf, dauert es in der Regel Tage, bis der Luftverkehr wieder normal läuft. Flugzeuge sind ebenso wie Passagiere und Besatzungen an den falschen Stellen gestrandet, das gesamte System gerät durcheinander. Erschwerend kommt hinzu, dass der Branche bereits am Freitag die nächste Störung bevorsteht. Denn die Gewerkschaft Verdi hat angekündigt, die Flughäfen in München, Frankfurt, Hamburg, Stuttgart, Dortmund, Hannover und Bremen am Freitag ganztägig lahmlegen zu wollen.
Auch das noch, wird sich deshalb mancher Airline-Manager gedacht haben, als gestern das ganze Ausmaß des Chaos nach und nach bekannt wurde. Denn die Branche vermeldet zwar eine deutlich erholte Nachfrage, dennoch ist auch ohne kaputte Kabel längst nicht alles eitel Sonnenschein. Auch den Fluggesellschaften setzen die deutlich gestiegenen Kosten für Energie und Flugbenzin zu, trotz rekordhoher Flugpreise schaffen es einige aktuell noch nicht in die schwarzen Zahlen. Auch der Arbeitskräftemangel geht nicht spurlos an den Luftfahrt-Unternehmen vorbei. Zudem muss die derzeit verbuchte Nachfrageerholung mit Fragezeichen versehen werden. Wie lange hält der Nachholeffekt aus der Pandemie an, wie schnell fangen Verbraucher angesichts hoher Lebenshaltungskosten dann doch an, beim Reisen zu sparen? Ausfälle in einer Zeit wie jetzt, wo es (grade noch?) rund läuft, schmerzen deshalb umso mehr.
Nach dem Chaos ist in der Luftfahrt stets vor dem Chaos. Nicht nur, weil schon morgen wegen der Verdi-Arbeitsniederlegungen mit den nächsten Flugausfällen zu rechnen ist. Auch die kommende Oster- und Sommerreisezeit dürfte nicht frei von Störungen werden. Zwar gelobt die Branche nach den chaotischen Zuständen im vergangenen Jahr für 2023 Besserung, warnt aber schon jetzt vor Unwägbarkeiten angesichts der Engpässe am Arbeitsmarkt sowie der geopolitischen Lage und spricht von „großen Herausforderungen“. Fluggesellschaften und Airports versuchen, das Angebot für die Hauptreisezeit so auszutarieren, dass das System nicht wieder außer Kontrolle gerät. Deshalb werden vermutlich manche Flüge, die verkauft werden könnten, am Ende doch nicht angeboten, um einen möglichst reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. So wird man nicht profitabel.