In Talkshows wird der sogenannte "alte weiße Mann" zuweilen als Auslaufmodell dargestellt. In den Vorstandsetagen der Dax-Konzerne ist er indes noch längst nicht vom Aussterben bedroht. Im Gegenteil: Das Durchschnittsalter der Vorstandsvorsitzenden im Dax liegt aktuell bei 55 Jahren. In 39 von 40 Fällen stehen Männer an der Konzernspitze. Merck-Chefin Belén Garijo ist derzeit die einzige weibliche CEO in Deutschlands höchster Börsenliga. Und die Quote könnte sich noch verschlechtern. Denn Garijo ist bereits 63 Jahre alt. Daher dürfte bei Merck mit hoher Wahrscheinlichkeit in den nächsten Jahren eine Nachfolge anstehen, sollte die seit 2021 amtierende Konzernchefin nicht atypisch lange weitermachen.

Insgesamt gab es 2023 trotz aller Herausforderungen nur vier Wechsel an der Spitze eines Dax-Konzerns. MTU-Chef Lars Wagner und Adidas-CEO Bjørn Gulden übernahmen gleich im Januar das Ruder. Im Mai folgte Tobias Meyer auf den langjährigen Post-Chef Frank Appel, im Juni löste Bill Anderson den glücklosen Bayer-CEO Werner Baumann ab. Im April wird Markus Kamieth bei BASF das Zepter von Martin Brudermüller übernehmen. Er setzte sich im internen Duell gegen Technologiechefin Melanie Maas-Brunner durch. Eine neuerliche Chance, die Phalanx älterer Männer zu durchbrechen, bietet sich der Deutschen Börse. Der Vertrag von Vorstandschef Theodor Weimer läuft Ende 2024 aus. "Wir haben für die Suche nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger einen Prozess aufgesetzt", hatte Aufsichtsratschef Martin Jetter im September erklärt. Vielleicht nimmt sich die Börse ja ein Beispiel an der US-Konkurrentin Nyse. Die New Yorker Börse wurde seit 2018 zunächst von Stacey Cunningham geführt. Seit 2022 steht Lynn Martin an der Spitze

Neben der einseitigen Geschlechterverteilung fällt das hohe Durchschnittsalter der Dax-CEOs ins Auge. Rechnet man die Doppelspitze der Unternehmensgründer von Zalando heraus, liegt dieses bei fast 56 Jahren – mehr als drei Jahre über dem globalen Durchschnitt laut KPMG. In China, wo es mehr junge Unternehmen gibt, sind CEOs mehr als sieben Jahre jünger.

In jedem Einzelfall lässt sich die Wahl eines erfahrenen Konzernlenkers sicher begründen. Allerdings ist die Tendenz, in Zeiten der Transformation auf bewährte Kräfte zu setzen, nicht ohne Risiko. So werden die deutschen Autohersteller zwar weniger erratisch geführt als etwa der US-Rivale Tesla. Allerdings sind sie auch behäbiger.