Nicht gut genug
Es ist fast schon zum Ritual geworden: Thyssenkrupp belegt mit Zahlen, dass der Konzernumbau vorankommt, die Investoren drücken jedoch auf den Verkaufsknopf. Dabei warteten die Essener im dritten Quartal sogar unter dem Strich mit schwarzen Zahlen auf. Dass sich diese Entwicklung nicht eins zu eins auf das Gesamtjahr hochrechnen lässt – geschenkt. Seit Beginn des Geschäftsjahres kommuniziert der Industriekonzern, auch in diesem Turnus mit einem Verlust in dreistelliger Millionen-Euro-Höhe abzuschließen.
Daran haben auch die beiden Prognoseerhöhungen im bisherigen Jahresverlauf nichts geändert. Eine dritte Anhebung hat sich die Industrie-Ikone jetzt verkniffen, auch wenn das ursprüngliche Ziel eines bereinigten operativen Ergebnisses in Höhe eines mittleren dreistelligen Millionen-Betrages mit 564 Mill. Euro schon nach neun Monaten eingefahren ist.
Natürlich gibt es Aspekte, welche die Investoren verunsichert zurücklassen. So hat der weltweite Konjunkturaufschwung dem Stahl einen Boom beschert, wie es ihn lange nicht gab. Die Nachfrage ist so stürmisch, dass der Werkstoff inzwischen knapp ist. Wettbewerber wie Branchenprimus ArcelorMittal oder auch Salzgitter profitieren davon mit Bestmarken im Ergebnis. Und Thyssenkrupp? Dort hat die brummende Nachfrage zwar zu einem stolzen Umsatzplus geführt, im operativen Ergebnis ist davon bislang jedoch kaum etwas angekommen. Auch wenn Steel Europe im Quartal einen schmalen operativen Ertrag von 19 Mill. Euro erwirtschaftete, entspricht das nicht einmal einer Rendite von 1%. Die österreichische Voestalpine beispielsweise hat im Zeitraum April bis Juni in der Stahlsparte eine Marge von 14 % gezeigt.
Thyssenkrupp begründet die Underperformance mit langlaufenden Verträgen, die erst mit (gehörigem) Zeitverzug die Anpassung der Absatzpreise erlauben. Der hinter dieser Vertragspolitik steckende Sinn erschließt sich jedoch nicht. Angesichts rasant steigender Rohstoffpreise liegt es doch im ureigensten Interesse des Produzenten, die erhöhte Mittelbindung im Umlaufvermögen zeitnah wieder einzuspielen.
Der Aufbau des Working Capital steckt letztlich auch hinter der konkretisierten Cash-flow-Prognose, die einmal mehr enttäuschte. War Thyssen bislang von einem Mittelabfluss im Geschäftsjahr in einer Größenordnung von etwa 1 Mrd. Euro ausgegangen, ist nun von bis zu 1,5 Mrd. Euro die Rede. An Dividende ist insofern weiter nicht zu denken. Die operativen Fortschritte sind gut, aber längst nicht gut genug.