Regionalwahlen Frankreich

Nicht wählen gehen als Protest

Frankreichs Regionalwahlen lockten so wenig Wähler wie selten in die Wahlkabinen. Das kann durchaus als Statement interpretiert werden.  

Nicht wählen gehen als Protest

Stell Dir vor, es ist Wahl und keiner geht hin: Was in den meisten Ländern undenkbar wäre, ist am Sonntag in Frankreich passiert. Die Wahlbeteiligung bei der ersten Runde der mit den deutschen Landtagswahlen vergleichbaren Regionalwahl lag bei schätzungsweise gerade einmal 33%, bei den unter 25-Jährigen sogar nur bei der Hälfte davon. Zwar war bei dem letzten Stimmungstest vor den Präsidentschaftswahlen im Frühjahr ein neuer Negativrekord bei der Wahlbeteiligung erwartet worden. Doch dass er so schlimm ausfallen würde, damit hatte keiner gerechnet.

Es ist alles anders gekommen als gedacht, könnte man deshalb auf den ersten Blick meinen. Ganz so stimmt das allerdings nicht, auch wenn der rechts­extreme Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen und die Regierungspartei La République en Marche (LREM) von Präsident Emmanuel Macron schlechter als erwartet abgeschnitten haben. Allerdings hat es die ehemals als Front National (FN) bekannte Partei Le Pens bei Regional- und Kommunalwahlen auch früher nicht vermocht, ihre Wähler so stark wie bei Präsidentschaftswahlen zu mobilisieren. Und die erst 2016 gegründete Partei Macrons ist regional nicht gut genug verankert. Ihr schlechtes Abschneiden ist aber dennoch eine Ohrfeige für Macron. Denn er hatte zuletzt bei einer „Tour de France“ durch die Lande versucht, die Wähler zu mobilisieren, und zudem etliche Regierungsmitglieder ins Rennen geschickt.

Wer nun bereits frohlockt, der von vielen befürchtete Erfolg des RN sei ausgeblieben, sollte sich nicht zu früh freuen – und vor allem keine Lehren für die Präsidentschaftswahlen ziehen. Landesweit ist die rechtsextreme Partei mit rund 19% der Stimmen die zweitstärkste Kraft. Die Zustimmung für sie ist gerade bei den jungen Wählern hoch, so dass weit höhere Ergebnisse zu befürchten sind, wenn es Le Pen gelingt, sie wirklich zu mobilisieren. Die Gefahr des RN ist also noch lange nicht gebannt.

Genauso groß ist das Risiko, dass die Beteiligung auch bei anderen Wahlen immer weiter abnimmt. So betrug der Anteil der Wähler, die an allen Runden der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2017 teilgenommen haben, nur 35%. In Frankreich, wo die Bevölkerung bei nationalen Wahlen denjenigen an der Macht gerne einen Denkzettel verpasst, lässt sich die geringe Wahlbeteiligung auch als neue Form des Protests interpretieren. Das Phänomen droht sich 2022 noch zu verstärken. Denn viele Franzosen wünschen kein Remake der letzten Präsidentschaftswahlen mit Macron und Le Pen in der Stichwahl.

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