Corporate Governance

Norwegens Staatsfonds­ wettert gegen Millionen­gehälter

Der norwegische Pensionsfonds musste 2022 Verluste hinnehmen. Das Management nutzte die Präsentation der Zahlen, um auf die Bedeutung von Corporate Governance für die Rendite hinzuweisen.

Norwegens Staatsfonds­ wettert gegen Millionen­gehälter

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Der norwegische Staatsfonds hat die Bekanntgabe von hohen Verlusten im ersten Halbjahr dazu genutzt, mit US-Unternehmen und deren Managern abzurechnen. Der Feldzug gegen exorbitante Gehälter in den USA passt zur Strategie des Fonds, Corporate Governance und soziale Themen in den Vordergrund zu stellen. Mit umgerechnet 1,3 Bill. Euro verwaltet der Fonds mehr Geld als die DWS (rund 830 Mrd. Euro), aber weit weniger als der größte Assetmanager Blackrock mit 8,5 Bill. Dollar.

Der norwegische Staatsfonds hatte von Januar bis Juni ein hohes Minus erzielt und musste einen Rekordverlust von 14,4% verbuchen. Das hat der Fonds vor einer Woche bekannt gegeben. Herbe Verluste bei Aktienanlagen haben den Government Pension Fund Global schwer belastet. Der Fonds des Königreichs Norwegen, der aus Öl- und Gaseinnahmen des Landes gespeist wird, ist zu rund 70% in Aktien investiert, verteilt auf 9338 Unternehmen in 65 Ländern. Damit erklären die schwachen Börsen den zweistelligen Verlust. „Aktieninvestitionen sind um satte 17% gesunken, und insbesondere Technologieaktien haben mit minus 28% Rendite schlecht abgeschnitten“, sagte Nicolai Tangen, CEO von Norges Bank Investment Management. Die Einheit der Notenbank ist für das Management des Fonds im Auftrag des norwegischen Finanzministeriums zuständig. Zum Vergleich: Der MSCI World büßte im ersten Halbjahr 2022 rund 14% ein.

In der Analyse der Verluste erläutert Tangen auch, dass im Aktienbereich praktisch alle Sektoren einen negativen Ergebnisbeitrag erbracht hätten.

„Sie stehlen unser Geld“

Bei der Präsentation der schwachen Halbjahreszahlen gab es vonseiten des Fondsmanagements heftige Vorwürfe in Richtung von US-Unternehmen. Die Rede war von überbezahlten Managern. „Sie stehlen unser Geld“, schimpfte Tangen. Die Gehälter der Führungskräfte vor allem in den USA seien viel zu hoch, im vergangenen Jahr habe das Durchschnittsgehalt der 500 größten Unternehmen in den Vereinigten Staaten bei über 14 Mill. Dollar gelegen, ereiferte sich der Chef des Ölfonds. „Einige der Unternehmen zahlen ihren CEOs mehr als 100 Mill. Dollar pro Jahr, also fast eine Milliarde norwegische Kronen“, sagte die Compliance-Chefin des Fonds, Carine Smith Ihenacho, auf der Pressekonferenz des Staatsfonds. Angesichts dieser Zahlen sehen sich die Fondsmanager in ihrem Engagement als verantwortungsvolle Eigentümer zurückgeworfen. „Wir wollen natürlich, dass die Unternehmen die besten Leute und gute Manager haben. Aber es liegt nicht in unserem Interesse, dass weiter an der Gehaltsspirale gedreht wird und bei irrsinnig hohen Gehältern zu enden“, sagte Ihenacho. Die hohen Gehälter würden Werte der Aktionäre vernichten.

Der Kampf für angemessene Managergehälter steht auf der Agenda des Fonds ganz oben. Der Fonds berichtete davon, dass im laufenden Jahr 1193 Unternehmensgespräche zu Governance-Themen stattfanden. Damit steht dieses Feld an erster Stellen bei ESG-Gesprächen. Zu Umwelt- und Klimafragen meldet das Management 828 Unternehmensdialoge, und zu sozialen Fragen seien 655 Gespräche geführt worden.

Starke Governance-Aktivitäten gibt es auch bei Hauptversammlungen. Abstimmungen seien eines der wichtigsten Instrumente, um als Eigentümer Einfluss zu nehmen. In der ersten Jahreshälfte hat der Fonds auf 8691 Hauptversammlungen über insgesamt 96317 Anträge abgestimmt. Der Fonds hat dabei in vielen Fällen Vergütungsvorschläge abgelehnt. „Es ist erstaunlich, wie wenig die CEOs es mögen, wenn wir gegen sie stimmen“, sagte Ihenacho. Als Beispiel nannte sie ein Gehaltspaket bei Apple, das über eine Milliarde Kronen betragen könnte, wenn man Aktien und Optionen einbezog. Auch bei Intel und Harley-Davidson seien Pakete im Vergleich zu ähnlichen Unternehmen zu hoch und die Ergebnisse viel schlechter.

Humankapital stärken

Zeitgleich mit den Zahlen für das erste Halbjahr veröffentlichte der Staatsfonds ein neues Dokument, das seine Aktivitäten in Richtung Governance und soziale Fragen unterstreicht. Das Management appelliert an die Unternehmen, Humankapital stärker in den Vordergrund zu stellen. Investitionen in Menschen würden immer wichtiger für die Wertschöpfung und die Rentabilität der Firmen. Im laufenden Jahr hat das Portfoliomanagement 260 Unternehmensgespräche zum Thema Humankapital geführt, das mit Abstand wichtigste Gesprächsthema im Bereich Soziales.

Die Manager des norwegischen Pensionsfonds sind davon überzeugt, dass Aktiengesellschaften, die strategisch in ihr Humankapital investieren, langfristig am profitabelsten sein werden. „Unternehmen, die in ihre Mitarbeiter investieren, werden die Gewinner von morgen sein. Menschen sind zur größten Ressource der Unternehmen geworden“, sagte Tangen, erster Portfoliomanager bei Norges Bank Investment Management. Er stellt klar, dass das Engagement des Fonds als Eigentümer künftig stärker diese Aspekte fokussieren werde. „Wir werden die Unternehmen durch Dialog und Abstimmungen beeinflussen und die Vorstände zur Rechenschaft ziehen“, sagt Ihenacho.

Die Datensicherheit ist eine weitere große Sorge des Staatsfonds, der selbst massenhaft von Attacken betroffen ist. „Ich mache mir mehr Sorgen um Cyberangriffe als um die Märkte“, wird Tangen in der „Financial Times“ zitiert. Konzertierte Cyberangriffe könnten zu einem systemischen Finanzrisiko werden, da die Märkte zunehmend digitalisiert würden.

Die Staatsfondsmanager aus Oslo sind trotz aller Widrigkeiten bei ihren Aktivitäten zuversichtlich, dass sie mit ihrem Governance-Ansatz etwas bewegen. „Wir sehen, dass sich die Unternehmen in die richtige Richtung verändern. Aber wir müssen geduldig sein, denn das geht nicht von heute auf morgen“, so die Manager des Staatsfonds, der etwa 1,5% aller börsennotierten Unternehmen der Welt besitzt.

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