Notiert inBerlin

Zwischen Wolfsburg und Annaberg

Die Wirtschaftskraft ist in Deutschland höchst unterschiedlich verteilt. Die Förderpolitik konnte an der Ost-West-Spaltung des Landes bislang nicht viel ändern. Dies spielte wohl auch bei den Haushaltsverhandlungen der Ampel eine Rolle.

Zwischen Wolfsburg und Annaberg

Notiert in Berlin

Zwischen Wolfsburg und Annaberg

Von Andreas Heitker

Allgemeines Aufatmen war im politischen Berlin zu vernehmen, als am Freitag die Kunde von der Haushaltseinigung der Koalitionsspitzen die Runde machte. Die Eckpunkte bieten auch die Gelegenheit, in den kommenden Wochen bis zu den drei Landtagswahlen im Osten noch einmal etwas genauer hinzuschauen: Wo werden die Gelder für die Haushaltskassen erwirtschaftet? Und wo in Deutschland werden sie besonders benötigt? Ein Blick in den vor einigen Tagen veröffentlichten ersten „Gleichwertigkeitsbericht“ der Bundesregierung gibt hierzu einige interessante Antworten zur Wirtschaftskraft in den einzelnen Regionen.

Das höchste BIP in Städten mit Industriekonzernen

Das höchste Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Erwerbstätigem wird in Deutschland beispielsweise nicht ganz überraschend in Städten erwirtschaftet, in denen große Industriekonzerne ansässig sind: Wolfsburg. Ingolstadt. Mainz. München. Ganz oben in dieser Liste ist die VW-Stadt Wolfsburg mit 153.538 Euro zu finden. Am Ende steht der sächsische Erzgebirgskreis. In der Region mit ihren historischen Bergbaulandschaften rund um die Große Kreisstadt Annaberg-Buchholz kommt man lediglich auf ein Pro-Kopf-BIP von 56.698 Euro.

Diese sehr unterschiedlichen Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse innerhalb Deutschlands sollten auch die obersten Haushälter des Landes tunlichst im Blick behalten, um mit ihrer Fiskalpolitik die Spaltungen im Land nicht noch weiter zu vergrößern. Aber auch für das regionale Steueraufkommen ist die jeweilige Wirtschaftskraft natürlich entscheidend. So zeigt etwa der Gleichwertigkeitsbericht massive Spreizungen beim kommunalen Steueraufkommen je Einwohner: In Mainz liegt dieses beispielsweise bei 3.872 Euro. In Mansfeld-Südharz sind es lediglich 656 Euro – mit allen Folgen auch für die Vor-Ort-Investitionen in Infrastruktur, Daseinsvorsorge und die Lebensbedingungen für die Menschen im Allgemeinen.

Regionale Strukturförderung soll helfen

Mit der regionalen Strukturförderung versucht die Politik schon lange, daran etwas zu ändern. Seit Anfang 2020 gibt es bereits eine Bündelung von Programmen in einem gesamtdeutschen Fördersystem für strukturschwache Regionen (GFS), das zuletzt mehr als 4 Mrd. Euro im Jahr ausgeschüttet hat. Mehr als die Hälfte des Geldes fließt in die ostdeutschen Bundesländer. Pro Kopf sind die Hilfen hier mit knapp 120 Euro fast fünfmal so hoch wie im Westen.

Doch weder diese Förderung noch das deutlich dynamischere Wirtschaftswachstum in den strukturschwachen Regionen in der vergangenen Dekade konnte etwas gegen die immer größer werdende Unzufriedenheit und den Höhenflug der AfD in den ostdeutschen Bundesländern tun. Die Ampel-Spitzen hatten bei ihren Haushaltsverhandlungen ganz genau die Ergebnisse der Europawahl und der französischen Parlamentswahl analysiert. Auch deshalb sollte der Etat 2025 keinesfalls als Sparhaushalt erscheinen, sondern vor allem als eine Antwort auf die grassierende Verunsicherung in vielen Regionen.

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