Nvidia droht der Ikarus-Effekt
Nvidia
In den Fußstapfen von Ikarus
Von Alex Wehnert
Dem Börsenliebling Nvidia droht trotz eines anhaltenden Umsatz- und Gewinnwachstums ein Ikarus-Effekt. Das nach der griechischen Sagengestalt, die zu nah an die Sonne flog, benannte Phänomen beschreibt Unternehmen, die nach einer frühen Erfolgsserie überheblich und blind für Gefahren werden. Seit Anfang 2023 befindet sich die Nvidia-Aktie auf einer beispiellosen Kursrally – doch werden zunehmend Lücken in der Erfolgsstory sichtbar, die CEO Jensen Huang und CFO Colette Kress wortreich zu füllen suchen. So betonte die Finanzchefin am Mittwoch, die Nachfrage nach Chips der im laufenden Jahr lancierten Prozessorenplattform Blackwell sei „atemberaubend“.
Extrem komplexer Aufbau
Dass Nvidia mit dem Angebot nicht hinterherkommt, stellt oberflächlich betrachtet ein Signal dafür dar, dass sich das rasante Umsatz- und Gewinnwachstum des Halbleiterdesigners fortsetzt. Doch der Nachfrageüberhang speist sich auch aus Problemen in der Fertigung, die dem wohl größten Profiteur des Booms um künstliche Intelligenz noch die Flügel zu versengen drohen.
Denn die Blackwell-Reihe mag eine im Markt sonst unerreichte Performance bieten, dafür ist sie aber auch extrem komplex aufgebaut. Ist nur eine der verbauten Komponenten fehlerhaft oder läuft die Zusammensetzung beim Auftragsfertiger TSMC nicht reibungslos, macht dies die teuren Chips schnell unbrauchbar. Diese Anfälligkeit beschneidet die Produktionsrendite und kann das Verhältnis zu Großkunden aus dem Tech-Sektor, die ihre KI-Rechenzentren möglichst schnell auszubauen suchen, belasten.
Grenzen der Technologie werden sichtbar
Dabei lässt Nvidia sich selbst zu wenig Zeit, um Probleme mit der aktuellen Chipgeneration auszumerzen. Denn CEO Huang will einmal pro Jahr eine neue Mikroarchitektur vorstellen, die noch leistungsfähiger und damit noch komplexer sein muss als die vorherige. Während die auch von der wachsenden Konkurrenz getriebene Nvidia näher an die Sonne fliegt, zeichnen sich die Grenzen der technologischen Machbarkeit ihrer Projekte bereits ab. Das Enttäuschungspotenzial für Anleger ist nach dem rasanten Wachstum der vergangenen Jahre nun gewaltig.